Natalie Pawlik: Das Gesicht des SPD-Aufstiegsversprechens
Kein Kind wird zurückgelassen, jeder Mensch soll seine Talente entwickeln können – unabhängig vom sozialen Status. Das Aufstiegsversprechen der SPD hat ein neues Gesicht: Natalie Pawlik. Im Alter von sechs Jahren gemeinsam mit den Eltern und der älteren Schwester aus Sibirien nach Deutschland gekommen, überwand sie mehrere Rückschläge und arbeitete hart für ihr Emporkommen. Heute absolviert Pawlik ihren Master in Soziologie, sitzt für die SPD im Stadt- sowie im Kreistag und womöglich schon bald im Bundestag.
Aufstieg aus eigener Kraft
Den Anfang ihrer Aufstiegsgeschichte markiert der März 1999. In der Hoffnung „auf ein besseres Leben“ entschlossen sich Pawliks Eltern gegen Sibirien und für Deutschland, über Umwege kamen sie nach Bad Nauheim. Die Eingewöhnung war nicht einfach. Der Sprachbarriere wegen musste Pawlik die 1. Klasse wiederholen, die spärlich bezahlten Jobs der Eltern ließen den Traum vom sozialen Aufstieg zunächst in weite Ferne rücken.
Doch es kam anders: Nachdem Pawlik Jahre später auch den Wechsel vom Gymnasium auf die Gesamtschule verdaut hatte – ein erzwungener Rückschritt, den Eltern fehlte schlicht das Geld für einen privaten Englisch-Kurs – nahm sie ihr Schicksal selbst in die Hand. Auf die Wahl zur Klassen- und später Schülersprecherin ihrer Schule folgte der Aufstieg zur stellvertretenden Landesschülersprecherin Hessens. Mit 14 Jahren verdiente Pawlik ihr erstes eigenes Geld als Kellnerin. Zur gleichen Zeit knüpfte die politisch erweckte Pawlik Kontakte zu den Jusos, auch weil die Treffen der Jungen Union in edlen Restaurants oder Cocktailbars schlicht zu teuer waren.
„Alte Männer haben wir da schon genug“
Pawliks politische Karriere nahm rasch Fahrt auf: Ein Jahr nach dem Parteieintritt 2010 saß sie bereits im Stadtrat von Bad Nauheim. Seitdem zählt die Umverteilung von Geldern und die Vergrößerung finanzieller Handlungsspielräume für Kommunen zu den Themen, die Natalie Pawlik besonders am Herzen liegen. Soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung in allen Lebensbereichen und der gesellschaftliche Zusammenhalt sind weitere.
Ein Thema holt sie immer wieder ein: Russland. „Viele denken, ich wäre dafür eine Art Expertin, bin ich aber nicht“, erklärt die 24-Jährige. Dass sie für viele auch heue noch „das Mädchen aus Sibirien“ ist, stört Pawlik dagegen nicht: „Das ist Teil meiner Identität, gehört zu mir.“ Anders reagiert sie bei Anspielungen auf ihr Alter. „Das ist ein kritischer Punkt, gerade in einem traditionell konservativen Kreis wie der Wetterau“, so Pawlik. Das Vorurteil „zu jung, zu nett, zu blond“ sei ihr bereits mehrfach – direkt oder indirekt – vor den Kopf geknallt worden. Naturgemäß sieht sie selbst das ganz anders: „Ich stehe für eine Generation mit eigenen Problemen, auch sie muss im Bundestag vertreten sein“, sagt Pawlik. „Alte Männer haben wir da schon genug“.
Keine Scheu vor der Konkurrenz
Eine Spitze gegen Oswin Veith, Pawliks Kontrahenten und Gewinner des Direktmandats für die CDU bei der Bundestagswahl 2013? Denkbar wäre es. Mit 56 Jahren ist Veith mehr als 30 Jahre älter als Pawlik. Nach dem G20-Gipfel in Hamburg provozierte er Pawlik via Facebook, die wiederum nannte Veiths Reaktion auf die Öffnung der Ehe für alle „schäbig“. „Unser Verhältnis ist kontrovers“, sagt Pawlik und ergänzt: „Leben und lebhafte Diskussionen sind gut für die Demokratie.“
Ob die Kontroversen am Ende positiv auf ihrem Stimmenkonto zu Buche schlagen, wird der 24. September zeigen. Pawlik landete auf Platz 14 der Landesliste, aktuell sitzen 16 SPD-Abgeordnete aus Hessen im Bundestag, fünf davon über Direktmandate. „Es ist wahrscheinlicher, dass ich reinkommen, als dass ich nicht reinkomme“, analysiert Pawlik. So oder so wird die dann 25-Jährige ihrem Credo treu beleiben: „Wenn einer etwas verändert, dann du selbst.“