Parteileben

Nahles: „Er hat der SPD Glaubwürdigkeit verliehen“

von Karin Nink · 7. April 2013

Er war einer der schärfsten Kritiker der Agenda 2010 sowie ein Gegner der Rente mit 67, und dafür legte er sich auch gerne mit der Parteispitze an: Aber er hat – allen  Gerüchten zum Trotz – nie ernsthaft in Erwägung gezogen, der SPD den Rücken zuzukehren und sich in der Linkspartei  zu engagieren. Ottmar Schreiner, langjähriger AfA-Vorsitzender und einer der profiliertesten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker der SPD, ist tot. 

Am Samstag ist der Saarländer einem langjährigen Krebsleiden erlegen. Die Partei reagiert mit großer Betroffenheit auf den Tod ihres engagierten Genossen.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles würdigt ihn gegenüber dem „vorwärts“: „Ottmar hatte im besten Sinne das Herz am rechten Fleck! Und er war mutig und entschlossen genug, für seine Überzeugungen einzutreten. Sein Handeln war immer bestimmt von der Achtung gegenüber den Schwachen und aus der Perspektive der Menschen, nie als Planspiel auf dem Reissbrett. Er war leidenschaftlicher Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker. Er hat der SPD Glaubwürdigkeit verliehen selbst als einige an der Spitze der Partei das nicht zu schätzen wussten. Dafür gebührt ihm Dank, Anerkennung und Respekt. Es schmerzt, ihn nicht mehr unter uns zu wissen.“

Der Vorsitzende der saarländischen SPD und stellvertretende Ministerpräsident Heiko Maas sagt zum Tod von Ottmar Schreiner:  „Wir werden lange darauf warten, wieder einen wie ihn zu sehen. Nicht nur als Politiker, sondern insbesondere aufgrund seiner menschlichen Qualitäten war Ottmar Schreiner einzigartig. Er hinterlässt eine Lücke, die nur schwer zu füllen sein wird.“

Gabriel: "Wir hätten besser auf ihn gehört"

Im Januar diesen Jahres hatte Schreiner wissen lassen, dass er aus gesundheitlichen Gründen bei der bevorstehenden Bundestagswahl nicht mehr kandidieren würde. „Der Krebs ist zurück. Ich kann aufgrund der erneuten Erkrankung diesen Wahlkampf nicht mit voller Kraft führen“, hatte er seinen heimischen Genossen gesagt. Schon im April vorigen Jahres war Ottmar Schreiner nach 12 Jahren als Chef der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) ausgeschieden. SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel würdigte damals die Leistungen des kritischen Saarländers mit herzlichen Worten: "Es wäre besser gewesen, wir hätten in der Vergangenheit auf Ottmar und die AfA gehört. Es darf nie wieder passieren, dass wir uns soweit von der Arbeitnehmerschaft entfernen." Und es sei Schreiner zu verdanken, dass die SPD wieder auf dem Weg zu einer "Arbeitnehmerinteressenvertretung" sei.

Der Katholik Schreiner trat 1969 in die SPD ein und engagierte sich zunächst bei den Jusos. Dort galt er als Reformsozialist und war einer der Gründungsmitglieder der Juso-Hochschulgruppen.  Von 1974 bis 1977 war er stellvertretender Bundesvorsitzender.

1980 – in der Regierungszeit von Helmut Schmidt – wurde der begnadete Redner erstmal in den Bundestag gewählt und gehörte diesem ohne Unterbrechung 32 Jahre lang an. Von 1997 bis 1998 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender, von 1990 bis 1997 sozialpolitischer Sprecher, dessen fundierte Kenntnisse und weitsichtige Vorschläge weit über die eignen Reihen hinaus geschätzt wurden. Von 1998 bis 1999 arbeitete er unter Oskar Lafontaine als Bundesgeschäftsführer der SPD. Dem SPD-Bundesvorstand gehörte er mehr als zehn Jahre lang an.

Die SPD zu verlassen kam nie in Frage

Schreiner  war er einer der wenigen, die  Kontakt zu Lafontaine hielten, als dieser längst Vorsitzender der Linkspartei war – auch wenn er dessen Weg nie billigte. Denn der Wechsel weg von der SPD kam für Schreiner nie in Frage: „Über Jahre in einer Minderheitenposition zu stehen, ist sehr belastend. Aber ich bin ausgebildeter Fallschirmoffizier, die schmeißen nicht hin", sagte er einmal.

Galt der Jurist zu Beginn seiner politischen Laufbahn eher als Pragmatiker, wurde er später kompromisslos  – gerade bei der Frage der Agenda 2010 und der in der großen Koalition beschlossenen Rente mit 67. Noch im Dezember 2011, bei dem Berliner Bundesparteitag, versuchte der leidenschaftliche Sozialpolitiker, die Rentenreformen wieder zu ändern. Aber die meisten Delegierten folgten ihm in dieser Frage nicht.

Schreiner hinterlässt eine Frau und drei Kinder.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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