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Nach Flucht aus Syrien: Tarek Saad kandidiert für SPD-Landesvorstand

2014 flüchtete Tarek Saad aus Syrien nach Deutschland. Er kam an in Schleswig-Holstein, trat in die SPD ein und begann ein Studium. Inzwischen hat er den deutschen Pass und blickt mit Spannung seiner ersten Bundestagswahl entgegen.
von Jonas Jordan · 16. Februar 2021
Tarek Saad will im kommenden Jahr für den Landtag von Schleswig-Holstein kandidieren.
Tarek Saad will im kommenden Jahr für den Landtag von Schleswig-Holstein kandidieren.

Sieben Jahre ist es her, dass Tarek Saad aus Syrien nach Schleswig-Holstein floh. Sieben Jahre, in denen sich das Leben des jungen Mannes komplett veränderte. Anfang 2019 berichtete der „vorwärts“ erstmals über Saads Geschichte, wie er im syrischen Bürgerkrieg verwundet wurde, fünf Tage im Koma lag, wie er nach Deutschland kam und seinen Weg in die SPD fand. Dort ist er seit etwas mehr als zwei Jahren Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in Schleswig-Holstein. Im Dezember 2019 hielt er seine erste Rede auf einem SPD-Bundesparteitag. „Ich war ziemlich aufgeregt“, sagte Saad hinterher im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Kandidatur für den SPD-Landesvorstand

Demnächst dürfte er ähnlich aufgeregt sein. Denn seine nächste Parteitagsrede könnte eine entscheidende werden. Ende April wählt die SPD in Schleswig-Holstein einen neuen Landesvorstand. Saad kandidiert als Beisitzer. „Ich kandidiere, um die Diversität des Landesvorstandes zu sichern“, sagt Saad, der in Kiel Politikwissenschaft studiert. Im Gegensatz zum Bundesparteitag vor 14 Monaten wird er diesmal jedoch nicht vor Minister*innen oder Abgeordneten stehen, wenn er seine Rede hält. Der Parteitag soll rein digital stattfinden. „Das ist sehr, sehr schwierig. Es ist alles gestreamt und man nimmt keine Emotionen der Leute wahr“, sagt Saad. Doch es hält ihn nicht von seiner Kandidatur ab.

Diese Zielstrebigkeit zeichnet diesen jungen Mann ohnehin aus. Serpil Midyatli verfolgt seinen Weg schon seit seiner Anfangszeit in Deutschland. Für die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und Chefin des Landesverbands in Schleswig-Holstein ist Saads Geschichte vorbildhaft: „Der Weg von Tarek zeigt, was in der SPD möglich ist. Einerseits ist sein Weg natürlich einzigartig und seine ganze persönliche Erfolgsgeschichte, andererseits steht sie beispielhaft für die besondere Stärke unserer Partei.“

Mitarbeit am Bundestagswahlprogramm

Dafür seien sichtbare Vorbilder für Diversität sehr wichtig, glaubt Midyatli. „Tarek ist deshalb mit seiner Geschichte und seinen Erfahrungen unglaublich bereichernd. Dazu gehört auch, dass er unseren Blick weitet. Der Schutz von Demokratie und Menschenrechten wird sehr konkret, wenn sich jemand an der Debatte beteiligt, der vor Verfolgung aus seiner Heimat fliehen musste“, sagt sie. Genau diese Erfahrungen bringt Saad aktuell auch in den Programmprozess zur Bundestagswahl ein. Gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden der AG Migration und Vielfalt Aziz Bozkurt und dem integrationspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lars Castellucci gehört der gebürtige Syrer einer entsprechenden Arbeitsgruppe an.

Die pandemiebedingten Einschränkungen in der politischen Arbeit nimmt Saad dabei nicht zwangsläufig als Nachteil wahr. „Die inhaltliche politische Arbeit ist durch die digitale Kommunikation viel einfacher geworden, aber insgesamt fehlt der persönliche Kontakt natürlich“, sagt er. Ähnlich ergeht es ihm bei seinem Studium der Politikwissenschaft. Aktuell ist er im fünften Semester. Den Abschluss hat er für das kommende Jahr geplant. Durch Online-Lehrangebote kommt er zurzeit zügig voran. „Das ist für mich auch besser. Denn ich kann als Nicht-Deutsch-Muttersprachler die Vorlesungen, die hochgeladen werden, zwei- oder dreimal anhören, bis ich es verstehe. Vorher waren die Dozenten manchmal zu schnell, sodass ich nicht folgen konnte“, berichtet er.

Saad: „Ich habe noch nie gewählt“

Vor seinem Studienabschluss steht aber im September erst einmal die Bundestagswahl an. Dann ist Saad zum ersten Mal wahlberechtigt. Denn seit Herbst hat er – nach einigen Schwierigkeiten – seinen deutschen Pass. „Das ist ziemlich krass. Ich habe vorher noch nie gewählt“, sagt Saad im Hinblick auf die Bundestagswahl und fügt an: „Ich kann es kaum erwarten, wenn es September ist. Auch wenn es pandemiebedingt wahrscheinlich sinnvoller wäre, will ich keine Briefwahl beantragen, weil ich es selbst erleben möchte, wie es ist, an der Wahlurne zu sein.“

Für die Wahl wünscht er sich neben einem starken Ergebnis der SPD auch folgendes: „Ich hoffe, dass die Union in die Opposition geht und die AfD gar nicht im Bundestag vertreten sein wird.“ Zudem wünscht sich Saad eine bessere politische Repräsentation von Menschen mit Fluchterfahrung, im Bundestag, aber auch innerhalb der SPD. Auch deshalb kandidiert er für den SPD-Landesvorstand. Sollte er gewählt werden, will er zudem den Kontakt zu den dänischen Sozialdemokrat*innen suchen, um in den Austausch über deren Migrationspolitik zu kommen.

Midyatli: „Sein Weg ist noch lange nicht zu Ende“

Tarek Saad steht mit seinem Werdegang stellvertretend für all diejenigen Menschen, die aus Ländern wie Syrien geflohen und inzwischen in Deutschland angekommen und heimisch geworden sind. Auch seine Landesvorsitzende Serpil Midyatli sagt: „Tarek steht aber für viel mehr als seine Biografie. Ich schätze ihn und seinen Einsatz für die Sozialdemokratie und bin sicher, dass sein Weg noch lange nicht zu Ende ist.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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