Nach der NRW-Wahl: SPD-Chef Klingbeil kündigt Kurskorrektur an
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Sie hatten gehofft, am Ende jedoch vergebens. Sah es nach den ersten Hochrechnungen zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntagabend so aus, als könne es knapp für eine rot-grüne Landtagsmehrheit reichen, sind die Verhältnisse nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis deutlich andere. Die CDU liegt neun Prozentpunkte vor der SPD. Für eine Mehrheit mit den Grünen fehlen den Sozialdemokrat*innen drei Sitze im Landtag. Durch den Wiedereinzug der FDP, der zunächst unsicher war, reicht es nicht für das erhoffte Bündnis.
Klingbeil: „Wir ducken uns nicht weg“
„Mit dem Verlauf des Wahlabends ist einiges klarer geworden“, sagt der Vorsitzende der Bundes-SPD, Lars Klingbeil, am Montag bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus. „Die CDU hat NRW gehalten.“ Ihr Spitzenkandidat Hendrik Wüst sei daher derjenige, der als erster Gespräche über die Bildung einer Landesregierung führen müsse. Doch Klingbeil macht auch klar: „Die SPD steht bereit, Verantwortung zu übernehmen. Wir ducken uns nicht weg.“
Auch der Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen SPD, Thomas Kutschaty, unterstreicht im Willy-Brandt-Haus: „Wir stehen bereit, über die Bildung einer Regierung zu sprechen.“ Das „Vortrittsrecht“ habe aber natürlich die CDU als Wahlsiegerin. Rechnerisch wären im bevölkerungsreichsten Bundesland sowohl ein schwarz-grünes Bündnis als auch eine große Koalition möglich. Auch eine „Ampel“ hätte eine Mehrheit. Entscheidend dürfte also werden, wie sich die Grünen verhalten, die ihr Wahlergebnis im Vergleich zu 2017 fast verdreifacht haben – auch auf Kosten der SPD.
Hauptsorge der Menschen wurde nicht angesprochen
Rund 260.000 Wähler*innen haben die Sozialdemokrat*innen an die Grünen verloren. 300.000 frühere SPD-Wähler*innen gaben zudem diesmal nicht ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 55,5 Prozent, ein Negativ-Rekord für Nordrhein-Westfalen, 2017 waren es noch rund 65 Prozent gewesen. Von einem „Schock“ spricht daher am Montag Lars Klingbeil. Die geringe Wahlbeteiligung müsse allen demokratischen Parteien zu denken geben.
„Wir hatten eine Lücke in der Mobilisierung“, gesteht Spitzenkandidat Thomas Kutschaty ein. Das habe auch daran gelegen, dass klassische landespolitische Themen im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt hätten. Medial habe der Krieg in der Ukraine alles überstrahlt. Gleichzeitig sei die Hauptsorge vieler Menschen kaum angesprochen worden: die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise.
Entlastungen für Rentner*innen prüfen
„Wir haben zu viel über Waffenlieferungen und zu wenig über steigende Kosten gesprochen“, bringt es Lars Klingbeil am Montag auf den Punkt. Das soll sich nun ändern. So will die SPD künftig die sozialen Themen wie die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro und die Kindergrundsicherung stärker in den Vordergrund stellen. Vorbild soll dabei der Bundestagswahlkampf sein, in dem die SPD und ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz mit klaren, eingängigen Botschaften überzeugten. „Wir müssen Schwerpunkte setzen und deutlicher kommunizieren“, fordert der Parteichef am Montag.
Auch eine Erweiterung der Entlastungspakete für Rentner*innen schließt der SPD-Vorsitzende nicht aus. Dass Maßnahmen wie die Energiepauschale auf Drängen der FDP für Menschen, die nicht mehr im Erwerbsleben stehen, nicht gelten, sorgt bereits seit Wochen für Kritik. „Wir werden genau hinsehen, wo Rentnerinnen und Rentner von steigenden Preisen betroffen sind und gegebenenfalls nachsteuern“, kündigt Klingbeil an.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.