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Mutig, unbequem, erfolgreich: Inge Wettig-Danielmeier wird 85

Ob Quote oder Reform des Paragrafen 218 – für die Gleichstellung ­der ­Geschlechter hat Inge Wettig-Danielmeier Pionierarbeit geleistet, im Bundestag und in der SPD. Am 1. Oktober feiert sie ihren 85. Geburtstag.
von Vera Rosigkeit · 31. Mai 2017
Kämpfte für eine emanzipatorische Frauenpolitik in der SPD: Inge Wettig-Danielmeier
Kämpfte für eine emanzipatorische Frauenpolitik in der SPD: Inge Wettig-Danielmeier

Eigentlich war sie als Landtagsabgeordnete Expertin für Bildungsfragen und „die Frauenfrage nur Hobby“ für sie. Dabei haben ihr Deutschlands Frauen wesentlich den Aufbruch in „eine emanzipatorisch geprägte ­Frauenpolitik zu verdanken, die bis heute den Weg für die Gleichstellung der Geschlechter vorgibt“. Das schrieben ­Elke ­Ferner und Karin Junker ­ihrer Vorgängerin im Amt als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) Inge Wettig-Danielmeier zum 80. Geburtstag. Das ist nun fünf Jahre her.

Ikone sozialdemokratischer Gleichstellungspolitik

Die „Ikone sozialdemokratischer Gleichstellungspolitik“, wie die beiden sie nennen, feiert am 1. Oktober ihren 85. Geburstag. Wettig-Danielmeier nimmt schon früh den Kampf für eine eigenständige Frauenarbeit in der SPD auf. 1973 führt er zur Gründung der ASF, deren Vorsitzende sie 1981 wird. „Am Ende der 60er Jahre ärgerte ich mich zunehmend über die Behandlung von Frauen in der Partei“, erinnert sich Wettig-Danielmeier. In der Theorie sei die SPD natürlich für eine Gleichberechtigung gewesen, aber in der Praxis sah das ganz anders aus, betont sie. „Ein sehr beliebter Satz damals lautete: Das kann doch eine Frau nicht. Die wird doch nicht ernst genommen!“

Zeitgleich trieb die Frauen in Deutschland ein anderes Thema um. Mit der Parole „Mein Bauch gehört mir“ forderte die Frauenbewegung Anfang der 70er Jahre die ersatzlose Streichung des Abtreibungsparagrafen 218. Auch Wettig-Danielmeier hat 1970 auf dem Göttinger Marktplatz eine Unterschriftenaktion für die Reform des 218 organisiert. Das habe für viel Wirbel gesorgt, erzählt die gebürtige Heilbronnerin, die 1959 in die SPD eintrat. 1962 kommt sie nach Göttingen, stößt zu den Jusos. „Da habe ich auch meinen Mann kennengelernt“, sagt sie. 1971 wird ihre gemeinsame Tochter geboren, später nimmt das Paar ein Kind als Pflegetochter auf und adoptiert ein weiteres. „Wir haben das nie an die große Glocke gehängt, aber deshalb hatte das Familienleben bei uns immer ein starkes Gewicht.“

Beginn als Bildungspolitikerin

Als Bildungspolitikerin im niedersächsischen Landtag, dem sie von 1972 bis 1990 angehört, bringt sie das Schulgesetz auf den Weg. In diese Zeit fällt auch das zähe Ringen um die Quote in der SPD, in der Frauen nur in „homöopathischen Dosen“ vorhanden waren. Wettig-Danielmeier hält Vorträge, ist überzeugt, dass nur ­eine andere Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann zur Gleichstellung führen kann. „Das war echte Pionierarbeit“, betont sie.

„Nach einem dieser Vorträge kam ein befreundeter Delegierter und linker Gewerkschaftler auf mich zu und erklärte, es sei zwar richtig, was ich gesagt habe, aber er werde niemals zu Hause den Abwasch machen.“ Die Geschlechterquote, wonach alle innerparteilichen Funk­tionen und Mandate mindestens zu jeweils 40 Prozent von Frauen und Männern besetzt werden müssen, kommt 1988 mit tatkräftiger Unterstützung ­Willy Brandts, „auf den ich mich immer verlassen konnte“, zustande, aber auch mit Hilfe Hans-Jochen Vogels, des damaligen Parteichefs.

Reisende in Sachen 218

Gerne wäre sie Bildungspolitikerin im Landtag geblieben, doch Auseinandersetzungen mit Gerhard Schröder führten zur Entscheidung, 1990 für den Wahlkreis Göttingen in den Bundestag zu ziehen. „Als ich da anfing, war ich ja eigentlich schon allen bekannt“, lacht .Wettig-Danielmeier. Sie wird mit Hans de With Vorsitzende des Arbeitskreises zur Reform des Paragraphen 218, denn die Wiedervereinigung brachte den „Schandparagrafen“ zurück auf die Agenda. Galt im Westen der Republik die von der Union favorisierte Indikationsregelung, war in der DDR bereits 1972 das Fristenmodell eingeführt worden.

Der ­Einigungsvertrag brachte keine Regelung. „Wir brauchten also eine gesamtdeutsche Lösung“, erklärt sie. Der erste Mehrheitsbeschluss des neuen gesamtdeutschen Bundestages, der eine Fristenregelung vorsah, wurde auf Antrag der Union vom Bundesverfassungsgericht verworfen. „Der Kompromiss, den wir dann nach mehreren Anläufen erzielten, wurde im Erich-­Ollenhauer-Haus geschlossen. Der damalige Verhandlungsführer der CDU/CSU hat immer wieder mit Bundeskanzler Kohl und auch mit Kardinal Lehmann telefoniert. Mit dem Kompromiss konnte ich leben, doch von da an war ich als ­Reisende in Sachen 218 unterwegs.“

Erfolgreiche Schatzmeisterin

Kaum im Bundestag wartet eine weitere Herausforderung auf sie: Das Amt der SPD-Schatzmeisterin sei für sie zunächst „eine Pflichtveranstaltung“ gewesen. „Hinterher fand ich es recht passabel, denn nie hat ein Schatzmeister so viel gestalten können wie ich“, resümiert sie. Die Geschäftsstellen im Osten mussten organisiert, die Rückgabe alter Parteihäuser erstritten werden. Sie war Bauherrin des Willy-Brandt-Hauses in Berlin. Unter ihrer Leitung wurde das Spendenwesen der Partei neu geordnet, ein Controlling eingeführt, der Unternehmensbereich umgebaut. Das habe ihr am Ende sogar ein Lob von ­Annemarie Renger eingebracht, eine ihrer in der Frauenfrage entschiedenen Gegnerinnen.

 „Frauen haben es heute unendlich viel leichter“, findet Wettig-Danielmeier rückblickend. „Wir wurden ja damals noch lächerlich gemacht.“ Manchmal sei es auch ziemlich „ruppig“ zugegangen. Man müsse dazu auch eine gewisse Härte haben, fügt sie hinzu: „Die Härte hatte ich, aber es ist mir nicht immer leicht gefallen.“

Der Text erschien zum 80. Geburtstag von Inge Wettig-Danielmeier und wurde von uns aktualisiert.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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