Münchner Jusos im Wahlkampf: „Für Kommunalpolitik stellen wir uns auch in den Regen“
Informationsstände vor Kommunalwahlen sind keine Neuheit, aber wie kam es zu der Idee, 72 Stunden lang an der Münchner Freiheit auszuharren?
Unser Motto bei den Jusos in München lautet seit anderthalb Jahren: „Wir wollen mehr!“ Es bezieht sich darauf, dass wir trotz dem, was wir mit der SPD in München erreicht haben, noch lange nicht am Ende sind: Denn wir wollen mehr. Aus diesem Motto heraus hat sich die Idee eines Weltrekordversuchs entwickelt. Wir hatten 2014 lediglich 42 Prozent an Wahlbeteiligung und das war uns definitiv zu wenig. Deshalb wollten wir diesmal mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch kommen.
Wie viel Planung war im Vorfeld nötig?
Die Idee kam Ende des letzten Jahres auf. Wir haben sie zuerst jedoch nicht weiterverfolgt, da andere Dinge im Kommunalwahlkampf anstanden. Vor fünf Wochen trafen wir uns das erste Mal in einer kleinen Gruppe von fünf, sechs Leute und vergaben dann für den Infostand Schichten von vier Stunden, welche individuell mit Inhalt gefüllt wurden - eine Person koordinierte jeweils die Slots. Darüber hinaus mussten wir die Versammlung anmelden, die Technik ordern, Logistik organisieren und Vieles mit den Behörden abstimmen. Bewerbung war eine der Hauptaufgaben.
Was sagt die bewiesene Standhaftigkeit sowie der Wille, gegen Wind und Wetter zu bestehen, über die Arbeit der Jusos aus?
Am Freitag war Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos, bei uns zu Gast und wir stellten ihm 72 Fragen. Auf dem Podium fragte ich ihn: Wie können wir die Wahlbeteiligung stärken und wie können wir ein Vertrauen in Politik wieder zurückgewinnen? Kommunalpolitik wäre, so Kühnert, dafür der richtige Ansatzpunkt. Als Jusos legen wir in München schon immer einen sehr starken Fokus auf Kommunalpolitik. In dem Bereich sind wir sehr präsent und wollen dies auch weiterhin sein. Es war uns wichtig, die Kommunalwahl nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wir haben mit sehr vielen Menschen gesprochen und waren oder bzw. sind uns nicht zu schade, uns dafür in den Regen zu stellen. Vielen, die gerade keine Zeit hatten, sagten wir: Kommt doch morgen wieder, wir sind noch 60 Stunden hier an der Münchner Freiheit. Tatsächlich Zeit zu haben, mit den Menschen zu sprechen, zu zuhören was sie bewegt und dabei doch klar die eigene Position zu vertreten, das war eine sehr wertvolle Erfahrung für uns alle.
Hat sich der ganze Rummel für die angehende Kommunalwahl demnach gelohnt?
Ich weiß nicht, ob es sich sozusagen nur für die Kommunalwahlen gelohnt hat. Ich habe mit vielen gesprochen, die vielleicht für die Grünen stimmen wollten und dann am Ende sagten: Aber eigentlich ist die SPD doch keine schlechte Wahl. Sie sehen die Erfolge, die wir hatten, aber auch gleichzeitig, dass wir noch viele Ideen haben und dass wir weitermachen wollen. Wir haben in dieser Zeit zwischen 1500 und 200 Flyer verteilt. Menschen, die rund um den Platz wohnen, zur Arbeit fuhren oder am Samstag einkaufen waren, jene haben uns gesehen und wie viele wir waren. Genau diese Sichtbarkeit müssen wir über die Kommunalwahlen hinaus wieder stärken, dass wir wirklich bei den Menschen sind, dass wir rausgehen und dass wir nicht immer nur Anträge hinter verschlossenen Türen diskutieren. Der Aufwand hat sich gelohnt und das sogar über die Kommunalwahlen hinaus.
Was war Ihr Highlight der 72 Stunden?
Am Sonntagnachmittag haben wir in Form eines Speed-Datings Interviews mit Stadtratskandidaten aus der Nachbarschaft geführt. Als die Sonne rauskam, habe ich mich zwischendrin, da gerade weniger anstand, fünf Minuten auf die Bühne gelegt und es genossen, dass sich um mich herum viele Menschen miteinander über Kommunalpolitik unterhielten. Dabei wurde mir klar, dass sich das Engagement, das wir in die Sache gesteckt hatten, ausgezahlt hatte. Nach 72 Stunden noch mit 15 Leute vor Ort zu sein – ein Highlight für die Jusos als Ganzes.
studiert Deutsche Literatur und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist Praktikantin beim vorwärts.