Michael Schrodi: Was die SPD von einem bayerischen Drittligisten lernen kann
@foto_nils
Sie haben einst mit dem FC Ismaning in der ersten Pokalrunde gegen Borussia Dortmund gespielt und mit 0:4 verloren. Welche Erinnerungen haben Sie an den 24. August 2000?
Es war spannend und aufregend, in einem Pflichtspiel vor 8.000 Zuschauern gegen einen Erstligisten aufzulaufen. Wir waren als Viertligist natürlich der Underdog, aber mal in diesem Rahmen gegen die großen Namen zu spielen, hat sehr viel Spaß gemacht. Ich habe sehr positive Erinnerungen daran.
Sie kamen damals in der 63. Minute in die Partie, beim Stand von 0:2. Wie groß war die Hoffnung gegen eine Mannschaft um die (Ex-)Nationalspieler Lehmann, Kohler, Metzelder, Heinrich, Ricken und Herrlich das Spiel noch zu drehen?
Als ich rein kam, war die Hoffnung da: „Vielleicht geht noch was.“ Dortmund war nicht so drückend überlegen an diesem Tag. Wir hatten bis dahin gut mitgespielt. Das 0:1 fiel in der ersten Halbzeit durch Lars Ricken. Bis dahin hatten wir das Spiel eigentlich im Griff. Irgendwann ließen einfach die Kräfte nach. Es war ziemlich heiß damals und am Ende haben wir uns noch zwei blöde Tore gefangen.
Bei Ihnen hat es nicht ganz mit der Pokalsensation geklappt. Wie kann ein Underdog in so einem Spiel erfolgreich sein?
Indem man seinen Stil einfach genauso wie bei einem Ligaspiel umsetzt und keinen Respekt hat vor großen Namen. Die kochen auch nur mit Wasser. Das habe ich gemerkt, weil ich gegen viele spätere Profis in der vierten Liga gespielt habe. Ich erinnere mich noch gut an eine Partie im Grünwalderstadion mit Fürstenfeldbruck gegen die Amateure von 1860 München. Da hat Marcel Schäfer, der später Nationalspieler und Deutscher Meister mit Wolfsburg wurde, gegen mich sein erstes Spiel im Herrenbereich gemacht. Mein Trainer hat damals gesagt: „Mensch, der ist jung, da musst du drauf gehen und das Eins gegen Eins suchen.“ Ich glaube, ich habe das Duell damals gewonnen. Drei Monate später war er Bundesligaspieler. Oft sind es gar nicht die großen Leistungsunterschiede. Wenn man frech ist und seinen Stil spielt, kann man auch mit solchen Spielern mithalten. Das ist das, was Underdogs machen müssen. Dann kann auch mal die Überraschung gelingen.
Sie sind Fan von 1860 München und Abgeordneter der BayernSPD – haben Sie ein Faible für Underdogs?
Ich habe ein Faible für Mannschaften und Parteien, die eigentlich die Mehrheit der Gesellschaft repräsentieren. Beides sind Arbeiterparteien oder -vereine, die aber gerade noch nach ihrem Weg suchen, um wieder erfolgreicher zu sein. Da sehe ich 1860 München auch ein Stück weit als Vorbild für die BayernSPD. Sie sind zurück zu ihren Wurzeln gegangen, zurück ins eigene Stadion im Arbeiterviertel Giesing. Der Zuspruch für 1860 und das Zusammengehörigkeitsgefühl sind seitdem größer als zuvor. Ich rate auch der BayernSPD, sich bei den Themen Arbeit, Wirtschaft und Finanzen wieder auf sozialdemokratische Grundtugenden zu besinnen. In beiden Fällen arbeite ich daran, dass es wieder besser wird.
Welche Parallelen gibt es darüber hinaus für Sie zwischen Politik und Fußball?
Auch Fußball ist ein Teil der Gesellschaft, und deswegen auch ein Spiegel der Gesellschaft. Wir erleben dort eine wahnsinnige Kommerzialisierung und eine Vereinnahmung durch die Wirtschaft. Es ist en vogue zu den Bayern und anderen großen Vereinen zu gehen, aber der wirkliche Fußball spielt sich häufig in der zweiten, dritten oder vierten Liga ab. Wir sollten Fußball wieder zu einem Ereignis machen, das alle mitnimmt und das niedrige Ticketpreise garantiert. Die 50+1-Regel, die verhindern soll, dass Investoren nicht das Sagen haben, sollte gestärkt werden. Davon kann 1860 ein Lied singen.
Seit 2017 sind Sie Bundestagsabgeordneter und spielen auch für den FC Bundestag. Wie wurden Sie dort von Ihren Teamkollegen aufgenommen?
Sie waren alle glücklich und haben gesagt: „Da haben wir einen dabei, der Fußball spielen kann, jung ist und laufen kann.“ Also bin ich sehr gerne gesehen.
Wie ist es für Sie, international mit dem FC Bundestag gegen die Parlamentsmannschaften aus Russland oder Österreich zu spielen?
Ich hätte nie gedacht, dass ich meiner Karriere noch einmal einen weiteren Höhepunkt, eigentlich den Höhepunkt schlechthin, hinzufügen kann, Nationalspieler zu sein. Das hätte ich mir nicht träumen lassen. Es macht viel Spaß, wieder fußballerisch aktiv zu sein. Das Spiel in Moskau war eine ganz tolle Erfahrung und hat Fußball, aber auch Diplomatie und politische Gespräche zusammengebracht. Was will man als Fußballer und Politiker mehr?
Was kann die SPD tun, um den Teamgeist zu verbessern?
Wie beim Fußball gilt: Der Einzelspieler kann so gut sein, wie er will. Wenn das Gefüge nicht stimmt, kann eine Mannschaft nicht erfolgreich sein. Ich glaube, dass wir Einzelinteressen in der Partei und in der Fraktion zurückstellen sollten und schauen müssen, dass wir als Mannschaft wieder besser funktionieren. Da können wir einiges besser machen. Neben einer guten Taktik, einem guten Matchplan – also den Inhalten – sollten wir auch Solidarität auf dem Platz, also in der Fraktion und in der Partei, zeigen, damit wir geschlossen auftreten können. Ich hoffe, wir machen uns jetzt auf den Weg, das zu schaffen.
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo