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Melanie Leonhard: Warum Rot-Grün in Hamburg so gut funktioniert

Seit dieser Woche steht fest: Die einzige rot-grüne Koalition auf Länderebene besteht mindestens fünf weitere Jahre. Warum das Bündnis in Hamburg so gut funktioniert, erklärt die Sozialsenatorin und SPD-Landesvorsitzende Melanie Leonhard.
von Jonas Jordan · 12. Juni 2020
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92 Prozent der Delegierten haben am Wochenende dem Koalitionsvertrag mit den Grünen zugestimmt. Sind Sie zufrieden mit dem ausgehandelten Ergebnis?

Das bin ich in der Tat. Ich freue mich sehr über die breite Zustimmung und das entgegengebrachte Vertrauen der Delegierten. Das ist ein kraftvolles Signal der Hamburger Sozialdemokratie für unseren Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher. Mit dem Koalitionsvertrag haben wir einen guten und belastbaren Rahmen für die kommenden fünf Jahre. Auf dieser Grundlage wird der neue Senat die Hansestadt nicht nur durch die Corona-Krise führen. Wir werden die Stadt nachhaltig und solidarisch gestalten, damit sie auch in Zukunft lebenswert für alle bleibt.

Der Rot-Grüne Senat verfügt in der Bürgerschaft künftig über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Gleichzeitig geht der Koalitionspartner gestärkt aus der Wahl hervor. Wird das Regieren künftig einfacher oder schwieriger?

Ich erwarte hier keine Verschlechterung. Die gemeinsame erfolgreiche Regierungsarbeit in den vergangenen fünf Jahren hat eine ordentliche und vertrauensvolle Basis zwischen SPD und Grünen geschaffen. Sowohl die aktuelle Krisensituation als auch die Koalitionsverhandlungen haben verdeutlicht, dass wir auf dieser Basis gut aufbauen und in gewohnt verlässlicher Weise weiter arbeiten können. Entsprechend wurde das Regierungsteam fast gar nicht verändert.

Welches sind die wichtigsten Projekte für die kommenden fünf Jahre?

Allem voran gilt es, die Corona-Krise und ihre Folgen für die Hamburgerinnen und Hamburger bestmöglich zu bewältigen. Darüber hinaus bleibt es unser wichtigstes Ziel, Hamburg als lebenswerte Stadt für alle weiterzuentwickeln. Jede und jeder muss sich das Leben in der Hansestadt auch künftig leisten können. Daher bleibt es eines der wichtigsten Projekte, den Wohnungsbau voranzutreiben und bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Es muss in Hamburg gelingen, vor allem Familien beispielsweise durch beitragsfreie Kitaplätze und das geplante kostenfreie HVV-Schülerticket zu entlasten. Dafür braucht es eine starke Wirtschaft, die gleichzeitig für gute Arbeitsplätze sorgt.

Zu einer lebenswerten Stadt gehört auch eine funktionierende und zukunftsfähige Infrastruktur, weswegen ÖPNV-Ausbau und Verkehrspolitik weitere Schwerpunkte der neuen Legislaturperiode sind.

Sie verantworten künftig auch das Amt für Gesundheit, in Zeiten einer globalen Pandemie nicht ganz unwichtig. Wie ist Hamburg in diesem Bereich aufgestellt?

Hamburg ist hier sehr gut aufgestellt. Zum einen haben Senat und Behörden sehr gewissenhaft und verantwortungsvoll Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie beschlossen. Die vergleichsweise guten Zahlen sprechen für sich. Zum anderen haben wir mit dem UKE, einer guten Krankenhaus-Infrastruktur und zahlreichen Forschungsinstituten viel Forschungs- und Gesundheitskompetenz in der Stadt.

In den vergangenen Monaten haben Sie neben Ihrer Arbeit als SPD-Landesvorsitzende und der Bewältigung der Corona-Pandemie als Sozialsenatorin auch den Koalitionsvertrag mitausgehandelt. Wie war dieser Dreiklang zeitlich zu bewältigen?

Das war und ist schon eine ganz schöne Herausforderung, die diese Berufswahl nun einmal mit sich bringt. Dazu gehörten extrem kurze Nächte und viel Anstrengungen. Aber so ging es in diesen Tagen sicher vielen anderen auch.

Von Parteiorganisationen wie den Jusos oder der AsF gibt es Kritik an der männlich dominierten Besetzung der Senator*innenposten. Was entgegnen Sie dieser?

Das ist eine Kritik, die ich sehr gut nachvollziehen kann und die ich sehr ernst nehme. Als Peter Tschentscher mit der Bitte an den Landesvorstand und mich als Landesvorsitzende herantrat, in der aktuellen Krisensituation die Regierungsarbeit mit dem bewährten und eingespielten Team fortsetzen zu können, konnte ich ihr aus einem Grund entsprechen. Peter Tschentscher verband diese Bitte mit dem Versprechen, künftig frei werdende Senatorenposten mit einer Frau zu besetzen. Ein Versprechen, dem ich vertrauen kann, da der Bürgermeister in den letzten Jahren hier eine sehr konsequente Personalpolitik umgesetzt hat. So hat sich in dieser Zeit beispielsweise der Anteil der Staatsrätinnen fast auf die Hälfte erhöht. Auf dieser Grundlage hat sicher schließlich auch die Mehrheit der Delegierten dem Personalvorschlag am Ende zugestimmt.

Die Koalition aus SPD und Grünen in Hamburg ist das einzige Rot-Grüne Bündnis auf Landesebene in Deutschland. Warum gibt es in Hamburg dafür eine gesellschaftliche Mehrheit, anderswo nicht?

Grundlage einer dauerhaften Mehrheit dieser Art ist eine starke in der Mitte der Gesellschaft verankerte sozialdemokratische Volkspartei, eine starke SPD. Die SPD Hamburg hat sich seit 2011 durch kontinuierliche und verlässliche Regierungsarbeit großes Vertrauen bei den Hamburgerinnen und Hamburgern erarbeitet. Von der Abschaffung der Studiengebühren über die kostenfreien Kitaplätze bis hin zu einem Wohnungsbauprogramm, das seinesgleichen sucht, haben wir gezeigt, dass es uns mit jeder sozialpolitischen Ankündigung ernst ist. Es ist für alle Bürgerinnen und Bürger spürbar und nachprüfbar, dass wir unser Ziel, Hamburg als lebenswerte Stadt für alle zu entwickeln, ernst meinen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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