Mehr Gerechtigkeit als Ziel: Seeheimer fordern große Steuerreform
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„Privater Reichtum muss mehr für das Allgemeinwohl herangezogen werden.“ Das fordern die SPD-Bundestagsabgeordneten des als pragmatisch geltenden Seeheimer Kreises in einem Positionspapier mit dem Titel „Mut zu mehr“. Die Steuerpolitik sei „einer der wirksamsten Hebel, um das Leben von vielen Menschen auf struktureller Ebene zu verbessern“, sind die „Seeheimer“ überzeugt.
49 Prozent Spitzensteuersatz, kein Soli
Sie fordern deshalb eine deutliche Anhebung des Spitzensteuersatzes und eine Verschiebung des Steuertarifs. Zurzeit liegt der Satz bei 42 Prozent und wird ab einem jährlich zu versteuernden Einkommen von 55.961 Euro fällig. Rund vier Millionen in Deutschland Steuerpflichtige sind davon betroffen. Geht es nach den Seeheimern, werden 42 Prozent künftig erst ab einem Jahreseinkommen von 90.000 Euro fällig. Ab einem Einkommen von 125.000 soll der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent steigen, ab 250.000 Euro auf 49 Prozent. Im Gegenzug soll der Solidaritätszuschlag vollständig abgeschafft werden.
Auch die Abgeltungssteuer für Einkünfte aus Aktien und anderen Kapitalerträgen wollen die Seeheimer abschaffen und „durch einen persönlichen Einkommenssteuersatz“ ersetzen. Bisher werden Kapitaleinkünfte pauschal mit 25 Prozent besteuert.
Die Mehrwertsteuer vereinfachen
Die Erbschaftssteuer soll nach dem Willen des Seeheimer Kreises ebenfalls grundlegend verändert und „bundesweit einheitlich“ erhoben werden. So soll es einen Freibetrag von einer Million Euro für Erbende geben. Höhere Erbschaften sollen ohne Ausnahmen mit zehn Prozent besteuert werden. Die Steuerschuld kann über eine Zeitspanne von zehn Jahren abbezahlt werden.
Um das „Sammelsurium an Absurditäten“ bei der Mehrwertsteuer zu beenden, fordern die Seeheimer auch hier grundlegende Änderungen. Selbst für Steuerexperten ist häufig nicht mehr ersichtlich, wann und warum 19 und wann sieben Prozent Steuer fällig werden. „Dinge, die zum alltäglichen Leben gebraucht werden, dürfen nicht stärker besteuert sein als ,Luxusgüter‘“, fordern die Seeheimer in ihrem Papier.
Konsequent gegen Steuerhinterziehung
Gleichzeitig sagen sie Steuerflucht und -hinterziehung den Kampf an. Mehr Personal und eine bessere Ausstattung sollen dafür sorgen, dass Steuerprüfer und -fahnder besser arbeiten können und „bereits beschlossene Gesetze konsequent umsetzen“. Staatsanwaltschaften und Finanzbehörden sollen zudem besser zusammenarbeiten. „Unsere Finanz- und Justizbehörden müssen schlagkräftiger organisiert sein als die Betrüger“, fordern die Seeheimer.
Ziel der Vorschläge ist, „die wachsende Ungleichheit von Vermögen wieder in ein gesellschaftlich unkritisches Lot zu bringen“. So rechnet Seeheimer-Sprecher Dirk Wiese damit, dass Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen zwischen 50.000 und 80.000 Euro „deutlich mehr Geld im Portemonnaie“ haben würden. Das soll sich auch an der Wahlurne auszahlen. „Den Wählerinnen und Wählern muss klar sein“, schreiben die Seeheimer in ihrem Papier, „dass ein Kreuz bei den Sozialdemokraten ein Kreuz für pragmatische Politik bedeutet, die sich alleine am Bürgerwohl orientiert“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.