Matthias PLatzeck zieht sich endgültig aus der Politik zurück - seine Gesundheit verlangt das.
Landtagswahlkampf 2004 in Eberswalde. Die SPD liegt im Wahlkampf abgeschlagen hinter PDS (heute Linkspartei) und CDU. Die Leute sind sauer. Sie haben der SPD die Hartz-IV-Reformen nicht verziehen. Auf dem Marktplatz warten schon rund 1000 Menschen auf den brandenburgischen Ministerpräsidenten. Wenige Anhänger, aber viele Gegner von Hartz-IV, viele PDS-Anhänger und auch einige Neonazis. Matthias Platzeck steht zu Schröders Reformpolitik. Er redet, kämpft, verteidigt seine Position. Er wird ausgebuht, lautstark beschimpft. Eier fliegen. Am Ende seiner Rede aber rauscht Platzeck in seiner Limousine nicht einfach davon. Er marschiert – zum Schrecken seiner Leibwächter – in die wütende Menge und diskutiert weiter. Platzeck zeigt Haltung – und gewinnt die Wahl für die SPD.
Die nächste Landtagswahl in Brandenburg muss ein anderer für die SPD holen. Denn Matthias Platzeck legt nach einem leichten Schlaganfall im Frühsommer Ende August alle politischen Ämter nieder. Die Lücke in der SPD ist spürbar.
Jene, die den Wahlkampf 2004 erlebt haben, sagen „Platzeck stand zu der Reformpolitik, aber er redete nicht über die Köpfe und Herzen der Menschen hinweg.“ Andere hätten sich weggeduckt, Platzeck aber reiste mit einer Jetzt-erst-recht-Haltung durch’s Land. Hubertus Heil, stellvertretender SPD-Fraktionschef im Deutschen Bundestag und einst der Generalsekretär des SPD-Vorsitzenden Platzeck sagt: „Matthias Platzeck erreicht die Menschen. Er ist wie Johannes Rau ein Menschenfischer.“
Menschenfischer und Ausnahmepolitiker
Der 59-Jährige ist ein Ausnahmepolitiker. Seine politische Biografie eine ganz eigene: Aus der ostdeutschen Umweltbewegung kommend, wurde der Kybernetiker aus Potsdam nach nur 10 Jahren SPD-Mitgliedschaft Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – seit Willy Brandt 1966, der erste, der die Partei in Zeiten einer großen Koalition führte, auch parteiintern eine große Herausforderung. Sein einnehmendes Wesen machte ihn für manche schon zum künftigen Kanzler.
So strahlte der Karlsruher Parteitag im November 2005, auf dem Platzeck mit hervorragenden 99,4 Prozent gewählt wurde, viel Aufbruchstimmung aus. Der „neue Geist des gemeinsamen Anpackens“, den er in seiner Rede propagierte, gab den Delegierten das Gefühl, dass der SPD mit diesem Vorsitzenden gute Zeiten bevorstünden. „Die Menschen sind zu gewinnen. Sie sind dann zu gewinnen, wenn sie spüren, dass man es ernst mit ihnen meint“, hatte Platzeck ihnen mit auf den Weg gegeben. Doch die Hoffnung währte nicht lange. Nach nur 5 Monaten legte Platzeck nach zwei Hörstürzen und einem Zusammenbruch den Parteivorsitz nieder. „Ganz oder gar nicht“ war seine preußische Devise.
Rot-Grün mit konservativen Zügen
In seiner Abschiedsrede sagte er: „Diese Entscheidung ist mir schwerer gefallen, als jede andere Entscheidung in meinem bisherigen Leben“. In der Folge widmete er sich als Ministerpräsident wieder ganz den Belangen Brandenburgs. Er hatte dieses Amt 2002 von Manfred Stolpe übernommen, der ihm bescheinigte, Brandenburg zu einem „vollwertigen Land“ in Deutschland gemacht zu haben. Zuvor war Platzeck vier Jahre Oberbürgermeister von Potsdam, mit einer für dieses Amt ungewöhnlichen bundesweiten Popularität. Denn dank seines unermüdlichen Einsatzes bei der Oderflut 1997 war der junge Umweltminister bereits als „Deichgraf“ in die Geschichte eingegangen.
Das, was ihn damals schon auszeichnete, prägte seine gesamte politische Laufbahn: Präsent sein, sich auf die Menschen einlassen, zuhören, entscheiden und dazu stehen. So sicherte er sich auch die Sympathie der Medien – ohne sich von ihnen instrumentalisieren zu lassen.
Seine Gesundheit zwingt den „Rot-Grünen mit konservativen Zügen“ – wie er sich selbst nennt – nun zum endgültigen Rückzug aus der Politik. Seine Stimme wird weiter Gewicht haben.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.