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Lisi Maier: Diese Frau leitet die Bundesstiftung Gleichstellung

Lisi Maier war Bundesvorsitzende der Deutschen Katholischen Jugend, jetzt leitet sie die neu gegründete Bundesstiftung Gleichstellung. Als Co-Direktorin will sie auch die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Gleichstellungsstrategie beraten.
von Vera Rosigkeit · 13. Dezember 2021

Mit dem Thema Gleichberechtigung kommt Elisabeth, kurz Lisi, Maier schon früh in Berührung. Denn mit elf Jahren will sie Ministrantin werden, „wie man das in einem oberbayerischen Dorf eben so macht“, erzählt sie. Doch das ist nur Jungen möglich. So kommt sie zur Kolpingjugend, einem katholischen Jugendverband, nimmt anfangs als „Grüppling“ an Programmen teil, leitet später Zelt­lager und Jugendfreizeiten. Besonders gut ­gefällt ihr, dass Leitungen im Jugend­verband immer paritätisch besetzt sind.

Ausbildung zur Hauswirtschafterin

Über die Kolpingjugend kommt sie auch zur SPD, nimmt das Angebot „Landtag live“ wahr und begleitet für eine Woche Kathrin Sonnenholzner, Abgeordnete im bayerischen Landtag. „Ich fand es beeindruckend, mit welch natürlichem Selbstverständnis sie sich in einer Männerdomäne durchsetzt, das war ein nachhaltiger Berührungspunkt für mich“, erinnert sich Maier. In der SPD findet sie die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Themen wieder, die ihr in der Verbandsarbeit auch international begegnen, da die Kolpingjugend aus einem Gesellenverein entstanden ist. Zudem kommt sie in den vielen Einrichtungen der Jugendsozialarbeit ­Menschen nahe, die in „unserer Gesellschaft vor riesigen Herausforderungen gestellt sind, einfach nur dadurch, dass sie nicht die gleichen Voraussetzungen haben wie andere“.

Nach dem Abschluss der Mittleren Reife absolviert die heute 37-Jährige eine Ausbildung zur staatlich geprüften Hauswirtschafterin, kämpft mit der Kolpingjugend in der Freizeit für eine bessere Ehrenamtsfreistellung für Auszubildende und Studierende. Gleichzeitig sensibilisiert die Ausbildung, die zu 98 Prozent von Frauen gewählt wird und nicht selten in prekäre Beschäftigungsverhältnisse führt, den Blick für die Situation von Frauen auf dem ­Arbeitsmarkt. Maier holt auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur nach, verlässt ihr Heimatdorf Irschenberg und arbeitet während ihres Lehramtsstudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität München als studentische Mitarbeiterin im Büro der Frauenbeauftragten. Hier liegt ein Fokus darauf, den Anteil von Frauen an den Professuren zu erhöhen. So bleibt sie mit Gleichstellungsthemen in Kontakt und auch mit Fragen wie „Quotenregelungen helfen können, Gleichberechtigung zu fördern“.

Praktische Gleichstellungsarbeit fördern

Gleichstellung stärken, dieses Ziel verfolgt auch die in diesem Jahr gegründete Bundesstiftung Gleichstellung, die Lisi Maier und Arn Sauer seit dem 1. November als Direktorin und Direktor gemeinsam leiten. Als Empfehlung aus dem Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung entstanden, soll die Stiftung Wissen bündeln und Schlussfolgerungen für den politischen Handlungsprozess ziehen, erklärt sie einen von vier Aufgabenbereichen. Dazu zählt für sie auch das Schließen von Wissenslücken – wie sich zu fragen, warum bestimmte Strategien nicht zum Ziel führen. „Wir wissen, dass Frauen weniger verdienen, warum das so ist und welche Maßnahmen helfen würden, aber wir haben weiterhin ein Umsetzungsdefizit. Das gilt es zu ändern.“

Praktische Gleichstellungsarbeit fördern, Lösungsansätze entwickeln, beratend tätig sein – um Gleichstellung voranzutreiben sei es wichtig, eine stärkere Vernetzung von Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik hinzubekommen. Maier gefällt, dass im Stiftungsauftrag auch ein Innovationscharakter geschrieben steht. „Da wollen wir innovative Formate in den Blick ­nehmen und bei deren Unterstützung mitwirken.“

Bundesstiftung als offenes Haus

Um Begegnung und Vernetzung zu ermöglichen, werde aktuell eine passende Immobilie in Berlin gesucht, ein Haus in guter Lage, in dem Veranstaltungsräume und Co-Working-Spaces für ­Frauen- und Gleichstellungsinitiativen entstehen sollen. „Da für Frauenverbände eine auskömmliche Finanzierung nicht selbstverständlich ist, können sie so in einem Bundeshaus zusammenkommen. Das hat den Effekt, auch sichtbarer zu werden.“ Doch Gleichstellungspolitik werde nicht allein in Berlin entschieden. „Wir müssen mit den Akteurinnen und Akteuren vor Ort – von den Landesfrauenräten bis hin zu den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten – in den Austausch kommen.“

Maier weiß, wovon sie spricht, denn im Gemeinderat Irschenberg war sie 2008 eine von drei Frauen bei insgesamt 16 Gemeinderäten plus einem Bürgermeister. „Es gibt Gemeinderäte, da sitzt nur eine Frau.“ 2012 kommt sie nach Berlin, entscheidet sich nach erfolgreichem Abschluss des Referendariats gegen den Schuldienst, weil ihr Verband sie ins Rennen schickt, um Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend zu werden. „Dieses Vertrauen geschenkt zu bekommen, war für mich eine große Ehre.“ Sie gewinnt die Wahl, übernimmt Verantwortung für 660.000 Mitglieder und wird einige Monate später auch zur Vorsitzenden des deutschen Bundesjugendrings gewählt. Dieses ­Ehrenamt bietet ihr die Chance, mit Menschen aus unterschiedlichen Verbänden, von der Gewerkschafts- über die Feuerwehr- bis hin zur Landjugend, zusammenzuarbeiten. „Wenn es gelingt, innerhalb dieser Vielfalt Kompromisse zu finden, ist das ein starkes Gefühl, diesen Laden als Vorstand ­zusammenhalten zu können.“

Lisi Maier – „Frau Europas“

Anfang des Jahres 2021 erhält sie von der Europäischen Bewegung Deutschland den Preis „Frauen Europas“ für ihr Engagement in der europäischen Zusammenarbeit, gerade für junge Menschen. Nun freut sie sich auf ihr neues Amt. „Eine Aufgabe wird sein, die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie, die im Koalitionsprogramm verankert ist, zu begleiten.“

Den Blick darauf zu werfen, welche Effekte eine Maßnahme für Mädchen und Frauen habe, ist für sie, die seit 2016 als stellvertretende Vorsitzende auch den Deutschen Frauenrat vertritt, nicht neu. Dass ein solcher Gleichstellungscheck auch für Konjunkturprogramme notwendig sei, darauf habe jüngst eine Auswertung der Corona-Hilfsmaßnahmen hingewiesen, die vor allem männerdominierte Bereiche fördern.

„In allen EU-Ländern unterstützen die Regierungen stärker die Energie-, Bau- und Automobilwirtschaft und eben nicht Branchen wie Bildung, Gesundheit, Dienstleistung oder Kultur – die überwiegend weiblich dominiert und von der Krise mindestens genauso betroffen sind“, erklärt sie. Man müsse jetzt ­schauen, wie die einzelnen Ministerien, die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Fragestellungen der Gleichstellung in den Blick nehmen und sie umsetzen. Maier ist überzeugt, dass dieser Prozess begleitet, aber auch geprüft werden muss. Und sie weiß, dass es dafür klare und feste Strukturen braucht.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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