Der neue Bildungsminister Mecklenburg-Vorpommerns fordert ein gesellschaftliches Umdenken. Wer mehr Bildungserfolge will, sollte Lehrern den Rücken stärken.
Aristoteles hat Einzug ins Bildungsministerium Mecklenburg-Vorpommerns gehalten. Den griechischen Philosophen zitiert der neue Landesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur am liebsten. Mit Aristoteles’ Erkenntnis, die wichtigste Aufgabe des Staates sei die Bildung und Erziehung der Jugend, wirbt Mathias Brodkorb für mehr Anerkennung der Lehrkräfte. Wenn man Aristoteles’ Lehre ernst nehme, seien Lehrer doch die wahren „Helden unseres Alltags“, so Brodkorb. Sein wichtigstes Anliegen im Amt sei es, einen Zustand herbeizuführen, in dem Lehrer mit „Zuversicht und Selbstvertrauen“ ihren Aufgaben nachgehen könnten. Im Klartext heißt das: Mehr Respekt für die Lehrer für mehr Motivation im Job.
Bislang war der gebürtige Rostocker bundesweit vor allem als Mitbegründer der Internetplattform „Endstation Rechts“ und geistiger Vater von „Storch Heinar“ bekannt. Die Kunstfigur nimmt die unter Neonazis beliebte Modemarke Thor Steinar satirisch aufs Korn. Seit 2002 im Landtag, war Brodkorb zunächst hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, 2008 übernahm er zusätzlich den schulpolitischen Bereich. Parteipolitisch war sein Aufstieg zum Bildungsminister im Oktober vergangenen Jahres nicht überraschend. Auch inhaltlich ist dem studierten Philosophen und Altgriechen das Thema Bildung ein wichtiges Anliegen: „Wenn man wie ich viel Platon und Aristoteles gelesen hat, rückt das Thema sehr schnell ins Zentrum. Denn sowohl Platon als auch Aristoteles sehen in gewisser Hinsicht in Bildung und Kultur die Essenz des Menschen“, führt der Vater einer kleinen Tochter aus.
Auf Fotos wirkt der hagere Politiker mit der vornehmen Blässe eines Studierten eher zurückgenommen und ernst. Doch der Eindruck täuscht: Der neue Bildungsminister ist wortgewandt, seine Zunge manchmal forsch und vor allem schnell. Politikersprache – „Schallplattendeutsch“, wie Brodkorb es nennt – meidet er. Er will verstanden werden.
Kontrollierter Unruhestifter
Seit 2006 regiert in Mecklenburg-Vorpommern eine rot-schwarze Koalition. Das Amt des Bildungsministers hat Brodkorb von dem CDU-Politiker Henry Tesch übernommen. Fast täglich entdeckt der SPD-Politiker neue Baustellen in seinem Aufgabenbereich. Und die Zeit drängt. Die Menschen wünschen sich endlich eine klare Perspektive, wie es im Bildungs- und Kultursektor weitergehen soll. Der demografische Wandel – die Einwohnerzahlen sinken rapide – stellt die Landesregierung vor eine Mammutaufgabe. Die Folge waren bereits etliche Schulschließungen und Reformen. „Das schlaucht die Leute“, sagt Brodkorb.
Seine größte Baustelle sind momentan die Grundschulen: Das Lehrerkollegium ist überaltert, qualifizierter Nachwuchs fehlt. Einen konkreten Plan, wie es weitergehen soll, hat er noch nicht, aber viele Ideen: Der Minister strebt einen „Schulfrieden“ mit allen demokratischen Parteien an. Grundsatzfragen im Bildungsbereich sollen dem parteipolitischen Streit entzogen werden. Und er will die Lehrer stärker einbinden in die aktuelle Schulreform. „Ich will eine kontrollierte Entwicklung, eine kontrollierte, geplante Unruhe, so dass die Leute wissen, wann was passiert und welche Hilfestellungen sie dabei bekommen“, erläutert Brodkorb. Die gegenwärtigen Probleme sieht er vor allem der mangelnden Organisation und Kommunikation geschuldet. „Keine Schnellschüsse mehr“, verspricht Brodkorb den Vertretern des Grundschulverbandes, die zu einem Treffen mit dem Minister gekommen sind. Sie wirken erleichtert. Von überstürzten Reformen haben sie genug.
Theater mit dem Theater
Doch nicht alle sind dem neuen Minister wohlgesonnen. Bereits wenige Wochen nach Amtsübernahme hagelte es Kritik aus der Theaterlandschaft. Sie will mehr Geld, Mathias Brodkorb Reformen. An den Etat will er nicht ran. Kulturschaffende und -liebende reagierten auf die Absage wie vor den Kopf gestoßen.
Von einem Kultusminister aus den Reihen der SPD hatten sie eine solche Haltung nicht erwartet. Der Orchestervorstand der Mecklenburgischen Staatskapelle hält Brodkorb gar für „untragbar“, wie er gegenüber der Schweriner Volkszeitung erklärte. Von derartigen Protesten lässt sich der Minister wenig beeindrucken. Für den 34-Jährigen zählen vor allem rationale Argumente. „Ich mag Zahlen. Sie haben den Vorteil, dass sie zu einer strukturierten Argumentation zwingen“, sagt Brodkorb. Da sich Mecklenburg-Vorpommern aufgrund seiner Fläche und des Einwohnerschwundes bereits jetzt schon pro Kopf die doppelten Ausgaben im Bereich Theater leiste wie Bayern oder Baden-Württemberg, könne der Etat nicht angehoben werden, so seine Position. Ob er die Kritik nachvollziehen könne? „Natürlich, aber es ist doch so: Eigentlich will niemand Politiker, die lügen und um den heißen Brei herumreden. Die Leute wollen Klarheit. Aber das gilt nur so lange, wie es gute Botschaften gibt. Nur ganz wenige können es ertragen, wenn jemand klug, aber ehrlich, schwierige Dinge zu verkünden hat.“ Überhaupt hält er von der ganzen Gelddebatte wenig: Wer immer nur nach mehr Geld schreie, drücke sich in Wahrheit vor der Lösung der Probleme, so seine Überzeugung. Brodkorb will nicht länger Löcher stopfen, er will langfristig finanzierbare Strukturen, und zwar in allen Bereichen.
ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.