Lars Klingbeil: „Wir dürfen nicht in Gewinnern und Verlierern denken.“
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25,7 Prozent bei der Bundestagswahl nach einer furiosen Aufholjagd in den Wochen zuvor: Was war am Ende entscheidend für den Wahlsieg der SPD?
Wir haben aus den Fehlern vergangener Kampagnen gelernt und vieles besser gemacht: Wir haben frühzeitig unseren Kanzlerkandidaten bestimmt, gemeinsam mit ihm und der gesamten Partei das Programm geschrieben und sind trotz monatelanger mauer Umfragewerte nie unsicher geworden. Dieser Wahlsieg war eine enorme Teamleistung. Die ganze Partei – von den beiden Parteivorsitzenden bis zur Basis mit unseren 400.000 Mitgliedern – hat an einem Strang gezogen. Diese Geschlossenheit und die Überzeugung, dass die SPD mit Olaf Scholz die nächste Bundesregierung anführen kann, haben uns so stark gemacht. Unsere Motivation hat nach außen gestrahlt und wir konnten die Wählerinnen und Wähler von unserem Programm überzeugen: Der Kampf gegen Kinderarmut, ein Mindestlohn von 12 Euro, bezahlbare Mieten, stabile Renten und Klimaschutz, der Innovationen und Arbeitsplätze schafft. Mit diesen Kernthemen wussten alle unsere Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer ganz genau, wofür wir als SPD stehen. Das hat auch enorm geholfen.
Wie verändert das die künftige Parteiarbeit?
Die Wahl gibt einen enormen Schub. Alle haben verstanden, dass die Geschlossenheit Ausgangslage für den Erfolg ist. Zudem schaffen wir es, eine moderne Volkspartei zu definieren. In der Bundestagsfraktion haben wir viele junge Abgeordnete, viele auch mit Migrationsgeschichte. Wir haben die SPD in Verantwortung modernisiert und neu aufgestellt. Hinzu kommt, dass wir in den ostdeutschen Bundesländern sehr viele Abgeordnete haben, das bietet eine Chance, flächendeckend ansprechbar zu sein und Vertrauen aufzubauen. Und es gilt aber auch: Nach der Wahl ist vor der Wahl und 2022 stehen für die SPD im Saarland, in Nordrhein-Westfalen, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen wichtige Entscheidungen an.
Nun organisieren Sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen von Grünen und FDP die Koalitionsverhandlungen. Wovon lassen Sie sich dabei leiten?
Alle drei Parteien sind davon überzeugt, dass Deutschland einen Aufbruch braucht. Das eint uns. Wir werden dafür in den kommenden Wochen nun den Rahmen definieren. Dazu müssen wir natürlich auch Differenzen überwinden und Kompromisse ausloten. Es kann nicht eine Partei alles für sich herausholen und keine Zugeständnisse machen, so ist das nun mal. Wir dürfen aber nicht in Gewinnern und Verlierern denken, sondern in Themen und gemeinsamen Zielen, wie Modernisierung und Digitalisierung, oder gesellschaftlichem Zusammenhalt. Ich bin dankbar, dass die Zusammenarbeit so vertrauensvoll, konstruktiv und auf Augenhöhe stattfindet.
Wie sollen die Mitglieder in das weitere Verfahren einbezogen werden?
Am Ende entscheidet ein Parteitag über den Koalitionsvertrag. Aber die SPD ist eine Mitglieder- und eine Mitmach-Partei. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt. Deswegen werden wir davor Möglichkeiten schaffen, uns mit unserer Basis über die Ergebnisse der Verhandlungen auszutauschen. Aber da will ich nicht vorweggreifen, jetzt wird erst mal verhandelt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.