Krefeld trotzt dem Trend: 50 neue SPD-Mitglieder in einem Jahr
Auch wenn die großen Zeiten in der Bundesliga inzwischen einige Jahre zurückliegen, dürfte der Krefelder Stadtteil Uerdingen zumindest eingefleischten Fußballfans ein Begriff sein. Weniger bekannt sind die beiden benachbarten Stadtteile Oppum und Linn. Dabei hat dort die SPD in jüngster Zeit Bemerkenswertes geleistet.
Steigerung um 57 Prozent
Gegen den bundesweiten Trend hat der dortige Ortsverein seit Anfang 2019 50 neue Mitglieder dazugewonnen – eine Steigerung um 57 Prozent, wie der Vorsitzende Mustafa Ertürk stolz berichtet. „Die Menschen sind nicht weniger politisch als früher, und sie sind auch nicht weniger sozialdemokratisch. Aber man muss sie fragen“, sagt er.
2017 übernahm Ertürk den Vorsitz des Ortsvereins und begann mit der Strategie, insbesondere in Vereinen stärker für die Sozialdemokratie zu werben. Einer davon war der SV Oppum, in dem sich Mark Ulrich bereits seit fünf Jahren ehrenamtlich als Kinderfußballtrainer engagiert.
In die SPD einzutreten, war für ihn der logische Schritt, um sich „noch mehr für Kinder einzusetzen und mich dafür auch politisch zu engagieren“. Darüber hinaus begründet er seinen Parteieintritt so: „Die SPD steht gegen Rassismus, was auch meiner Gesinnung entspricht, da ich viele Freunde und auch Familienmitglieder anderer Nationalitäten habe.“
„Wenn die Leute erfahren, was wir als SPD tun, laufen wir offene Türen ein“
Fast ein Drittel der Menschen in Krefeld hat einen Migrationshintergrund. Entsprechend lag auf dieser Personengruppe ein Fokus bei der Mitgliederakquise. Zunächst sei es darum gegangen, Berührungsängste zu überwinden, erklärt Ertürk: „Wenn die Leute erfahren, was wir als SPD tun und welche Werte wir vertreten, laufen wir offene Türen ein.“
Darin, diese Zielgruppe stärker zu adressieren, liege für die gesamte SPD ein enormes Potenzial. Das habe er schon vor sechs Jahren im Kommunalwahlkampf gespürt, erläutert Ertürk. Er sei zunächst belächelt worden, als er versucht habe, durch Haustürwahlkampf, insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund für sich zu gewinnen. Doch Ertürk holte 18 Prozent Rückstand im Vergleich zur vorherigen Wahl auf, gewann letztlich 13 Stimmen mehr als sein ärgster Konkurrent und holte so den Wahlkreis nach fast 40 Jahren von der CDU zurück. Als feststand, dass Mustafa Ertürk den Wahlkreis künftig als Ratsherr im Krefelder Stadtparlament vertreten würde, weinte sein Vater. Dieser war 1971 als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen und hatte sich immer gewünscht, dass sein Sohn politisch aktiv werden würde.
Wegen Corona: Arbeit auf Eis
Auch diesmal treten zur Kommunalwahl im September in allen drei Wahlkreisen die zum Gebiet des Ortsvereins gehören, Kandidaten mit Migrationshintergrund an. Auch diesmal wollen die Sozialdemokrat*innen aus Oppum und Linn auf den direkten Kontakt mit den Bürger*innen setzen. Ob das gelingt, steht aktuell noch in den Sternen. Denn aufgrund der Corona-Pandemie sind auch in Krefeld alle klassischen Parteiaktivitäten auf Eis gelegt. Der traditionelle Infostand vor Ostern fiel ebenso aus wie eine für Anfang April geplante Vorstandssitzung.
Auf eine Verschiebung der Kommunalwahlen spekulieren die Krefelder nicht. „Für alle Termine gilt: Wir bereiten uns so vor, dass alles regulär stattfinden könnte“, kündigt Ertürk an. Zu den geplanten Veranstaltungen zählt unter anderem ein Sommerfest im August, in dessen Organisation auch Neumitglied Mark Ulrich schon intensiv eingebunden ist.
Hinzu kommen an jedem Wochenende vor der Kommunalwahl Infostände in beiden Stadtteilen, mehrere Themenabende und eine Tour mit dem SPD-Oberbürgermeister Frank Meyer. Das alles, um noch mehr mit den Bürger*innen in Kontakt zu kommen. Denn für Ertürk gilt: „Viele Menschen brennen darauf, etwas zu machen, aber sind noch nicht mit der SPD in Berührung gekommen.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo