Parteileben

Kommunalwahl in Frankfurt: Wenn der Spitzenkandidat klingelt

Er ist Vorsitzender, Spitzenkandidat und Hoffnungsträger der Frankfurter SPD. Mike Josef setzt auf eine klare Haltung, das Gespräch mit den Bürgern und auf die Fähigkeiten aller Parteimitglieder. Ein Besuch im Kommunalwahlkampf
von Kai Doering · 4. März 2016

Eigentlich hat Mike Josef für Wahlkampf im Moment überhaupt gar keine Zeit. Anfang Februar ist der 33-Jährige zum ersten Mal Vater geworden. Seinen Sohn Elia sieht er zurzeit aber vor allem als Foto auf dem Display seines Smartphones. Denn Mike Josef ist nicht nur junger Vater, sondern auch Vorsitzender und Spitzenkandidat der Frankfurter SPD für die Kommunalwahl am 6. März.

Überzeugungsarbeit an der Wohnungstür

An einem Spätnachmittag Mitte Februar steht er in der obersten Etage eines Siebenstöckers im Frankfurter Stadtteil Bonames und klingelt an einer weißen Tür. „Guten Tag. Wir kommen von der SPD und möchten Sie daran erinnern, dass am 6. März Kommunalwahl ist“, sagt Josef als sich die Tür öffnet. Der Mann im karierten Hemd guckt verdutzt. „Nee“, sagt er. „Merkel und Steinmeier – das geht alles nicht.“ „Aber am 6. März geht es um kommunale Themen“, lässt Mike Josef nicht locker. „Ich ändere doch nichts“, sagt der Mann. „Zwei Flugstunden von hier kämpfen Menschen für das Recht, zur Wahl zu gehen“, erwidert Josef.

Damit erreicht er den Mann im Karo-Hemd. Er sei mit einer Ukrainerin verheiratet, erzählt er. Ein Teil der Familie lebt noch immer in dem Land, in dem seit Monaten erbitterte Kämpfe toben. „Ich war schon so lange nicht mehr wählen“, sagt er zum Ende des Gesprächs als Mike Josef ihm ein Faltblatt mit den Kandidaten der SPD überreicht. „Wir würden uns freuen, wenn Sie die SPD wählen“, verabschiedet er sich über die Fußmatte mit der „Welcome“-Aufschrift hinweg.

Die SPD muss „zu den Leuten gehen“

Eine Etage tiefer öffnet sich die Tür, noch bevor Mike Josef auf die Klingel gedrückt hat. Erstaunt blickt ihn eine Frau im schwarzen Mantel an. In der Hand hält sie einen roten Umschlag – die Briefwahlunterlagen ihrer Mutter, die nun ebenfalls in die Tür tritt. Josef und die Frau schmunzeln. „Dann hoffe ich, dass Sie die SPD gewählt haben“, sagt Mike Josef. „Das könnte hinkommen“, sagt die Frau.

„Das Wichtigste ist, die Leute zu überzeugen, zur Wahl zu gehen“, sagt Mike Josef als er vor dem Haus in der kalten Februarluft steht. Die Sonne geht hinter den Hochhäusern unter. Die glitzernde Skyline von Frankfurt ist hier in Bonames ziemlich weit weg. Es gab eine Zeit, da traute sich nach Einbruch der Dunkelheit kaum jemand hierher. Das Gebiet wird vom Bundesprogramm „Soziale Stadt“ speziell gefördert. „Hier sind wir richtig“, ist Mike Josef überzeugt. Die SPD dürfe nicht warten, dass die Menschen mit ihren Anliegen zur ihr kämen, sondern müsse „zu den Leuten gehen“.

Die „Mitmach-Wahlkampfzentrale“ steuert alle Aktionen

In der ersten Etage der SPD-Geschäftsstelle ist Bonames eine blau schraffierte Fläche. So sind auf einer Landkarte in der „Mitmach-Wahlkampfzentrale“ die Bereiche von Frankfurt markiert, in denen potenzielle SPD-Wähler vermutet werden, sich Besuche an der Haustür für die Wahlkämpfer besonders lohnen. Auf dem Boden stehen Pappkartons. In manchen stapeln sich Flyer, in anderen liegen Kugelschreiber. In einer Ecke werden „Kreppel“ (in anderen Regionen heißen sie „Berliner“) für eine Verteilaktion am nächsten Morgen in rote Tüten verpackt.

„Die Partei muss in der Stadt Präsenz zeigen“, sagt Daniel Reymann. Damit das gelingt, wurden die 3500 Frankfurter SPD-Mitglieder bereits im vergangenen Sommer telefonisch befragt, ob und wie sie sich im Kommunalwahlkampf engagieren wollen. Jeder zehnte erklärte seine Bereitschaft, mitzuhelfen. „Die einen machen Hausbesuche, andere kleben lieber Plakate“, erklärt Daniel Reymann. Hinter ihm hat ein älterer Genosse gerade eine Liste mit SPD-Mitgliedern jenseits der 80 abtelefoniert und ihnen für den 6. März ein Wahltaxi angeboten.

Hohe Wahlbeteiligung gegen Rechtspopulismus

„Wir brauchen Haltung und ein klares Profil“, ist Mike Josef überzeugt. „Dann können wir auch vermitteln, warum es sich lohnt, die SPD zu wählen.“ Das Konzept scheint aufzugehen. Jüngste Umfragen sehen die SPD am 6. März vorn und mit guten Chancen, nach zehn Jahren die schwarz-grüne Mehrheit im „Römer“ zu brechen. Der Spitzenkandidat kämpft dafür an vorderster Front: Für den Wahlkampf hat er sich beim DGB zur Hälfte freistellen lassen. Für den anderen Teil hat er Urlaub genommen. „Politik muss auch Spaß machen“, ist Mike Josef überzeugt.

Bevor er nach Bonames gefahren ist, hat er am Ostpark mit dem hessischen SPD-Vorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel und dem Schauspieler Axel Pape ein Plakat der Kampagne „Meine Stimme für Vernunft“ eingeweiht. Die SPD wirbt damit gegen eine Radikalisierung der Gesellschaft und die Hetze von rechts. Auf dem Plakat ist eine junge Familie zu sehen. „Unser Land braucht Zusammenhalt. Keine Ausgrenzung.“, steht darunter. „Die einfachen Antworten der Rechtspopulisten schaden uns allen“, sagt Mike Josef, die Hände in den Taschen seiner blauen Jeans. Gerade in Frankfurt, wo jeder Zweite einen Migrationshintergrund hat, dürften Hass und Ausgrenzung keine Chance haben.

Neben AfD und NPD treten bei der Wahl am 6. März drei weitere rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien an. Da es keine Sperrklausel gibt, stehen ihre Chancen nicht schlecht, einige der 93 Plätze im Römer zu erobern. „Umso wichtiger ist eine hohe Wahlbeteiligung.“ Mike Josef wiederholt den Satz immer wieder. Denn auch er weiß: „Wenn Du die Wahl gewinnst, hast Du alles richtig gemacht, wenn Du verlierst, alles falsch.“

Schlagwörter
Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare