Klingbeil: SPD-Ausschluss von Sarrazin „klares Stoppschild“ gegen Rassismus
Der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin darf aus der SPD ausgeschlossen werden. Das hat die Schiedskommission des Berliner Landesverbandes entschieden, wie SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Freitag mitteilte.
„Wir begrüßen als Parteivorstand die Entscheidung der Landesschiedskommission, die klar sagt, dass der Ausschluss von Herrn Sarrazin aus der SPD richtig ist“, sagte Klingbeil. Sowohl das Schiedsgericht des SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf als auch jetzt das Schiedsgericht des SPD-Landesverbandes Berlin „sind unserer Argumentation als Parteivorstand gefolgt“.
Klingbeil: Sarrazin verstößt gegen Grundsätze der SPD
Der SPD-Vorstand habe damals festgestellt, dass die Publikationen, Äußerungen, öffentlichen Auftritte und die Wahlkampfhilfe für die FPÖ, „der SPD einen schweren Schaden zugefügt“ hätten. Sarrazin habe „immer wieder gegen die Grundwerte, die Grundsätze der Partei verstoßen“.
Für Klingbeil ein ganz wichtiges Argument: „Die SPD steht für Zusammenhalt. Jemand der spaltet, jemand der gegen Minderheiten hetzt, für den ist kein Platz in der Partei. Jemand der antimuslimische Thesen, jemand der rassistische Thesen vertritt, der braucht ein klares Stoppschild aus der Partei.“
SPD: Argumente und Fakten auf unserer Seite
Deswegen sei es richtig, dass die SPD nun zum dritten Mal ein Parteiordnungsverfahren gegen Thilo Sarrazin eingeleitet habe. Eine fast identische Schiedskommission, die vor zehn Jahren für den Verbleib Sarrazins in der SPD votiert habe, habe nun seinen Ausschluss bestätigt. „So schlecht kann meine Argumentation in der Sitzung der Schiedskommission nicht gewesen sein“, so Klingbeil.
Für ein weiteres Verfahren vor der Bundesschiedskommission fühle sich der Parteivorstand gut gewappnet. „Wir haben die Argumente, wir haben die Fakten auf unserer Seite. Das lässt uns optimistisch auch in diese nächste Runde schauen“, sagte der SPD-Generalsekretär.
Klare Haltung gegen Hetzer und Brandstifter
„Wir leben in turbulenten Zeiten, wir leben in polarisierten Zeiten, wir leben in Zeiten, in denen Minderheiten auch Angst haben, in Deutschland sich frei zu bewegen, wir leben in Zeiten, in denen Kommunalpolitiker Ämter zurückgeben, weil sie bedroht werden“, erklärte Lars Klingbeil. „Und in diesen Zeiten ist es wichtig, dass eine Partei wie die SPD eine klare Haltung hat gegen alle Brandstifter, gegen Hetzer, gegen Spalter. Und diese klare Haltung äußert sich auch in der Frage, ob man gegen Herrn Sarrazin ein Parteiausschlussverfahren anstrebt. Ich bin froh, dass wir jetzt auf diesem Weg sind.“
Ausschlaggebend für den Ausschluss waren vor allem zwei Punkte: zum einen das jüngste als „rassistisch“ kritisierte Buch Sarrazins „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“, zum anderen seine Auftritte im Wahlkampf für die rechtspopulistische FPÖ in Österreich. Beides wird als parteischädigend und mit den Grundsätzen der SPD nicht vereinbar bewertet.
Anti-Islam-Buch ist „klar rassistisch“
Die Landesschiedskommission der Berliner SPD bestätigt mit ihrem Beschluss eine Entscheidung der Schiedskommission des SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, die Thilo Sarrazin in erster Instanz aus der SPD ausgeschlossen hatte. Das SPD-Kreisgericht hatte Sarrazins islamkritisches Buch als „klar rassistisch“ bezeichnet.
Die Kritiker Sarrazins innerhalb und außerhalb der SPD sehen ihn als geistigen Brandstifter, der dazu beigetragen habe, den Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD) zu ermöglichen und den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu rücken. Sarrazin weist dies zurück und argumentiert, er habe lediglich „wissenschaftliche Sachbücher geschrieben“. Niemand habe bisher belegen können, dass seine Aussagen sachlich falsch seien.
Parteiausschluss noch nicht rechtskräftig
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte das neue Parteiordnungsverfahren angestrengt. Die Landesschiedskommission hatte Mitte Januar 2020 unter Ausschluss der Öffentlichkeit dazu getagt. Noch ist ihr Beschluss allerdings nicht rechtskräftig. Bis es soweit ist, bleibt Sarrazin Mitglied der SPD.
Über seinen Anwalt wies Thilo Sarrazin die „haltlosen Anwürfe des Parteivorstandes“ zurück. Bei der mündlichen Verhandlung Anfang Januar habe Lars Klingbeil keine Zitate vorlegen können, „um den gegen mich erhobenen Vorwurf des Rassismus zu belegen. Es ging ganz offenbar nicht darum, Wahrheit zu ermitteln, sondern Gesinnung zu bestrafen“, ließ der 74-jährige Berliner Ex-Senator mitteilen. Sarrazin kündigte an, „binnen zwei Wochen“ Berufung bei der Bundesschiedskommission einzulegen.
Sarrazin kann nicht Teil der SPD sein
Die Berliner SPD begrüßte unterdessen die Entscheidung der Landesschiedskommission. „Die Entscheidung ist konsequent: Wer wie Sarrazin seine Mitgliedschaft nur noch dazu missbraucht, rassistische Hetze zu verbreiten, kann nicht Teil der SPD sein“, schrieb der stellvertretende Landesvorsitzende Julian Zado auf Facebook. Und der Vorsitzende der Landes-Arbeitsgemeinschaft für Migration und Vielfalt Hakan Demir twitterte: „Ein schöner Tag: Ich freue mich, dass ich nicht mehr in derselben Partei wie #Sarrazin bin.“
Es ist nicht das erste Verfahren, das die SPD-Spitze gegen Sarrazin angestrengt hat. Seit mehr als zehn Jahren bemüht sich die Partei, Sarrazin auszuschließen. Schon bei seinem ersten Buch „Deutschland schafft sich ab“ wurde 2009 ein Parteiordnungsverfahren angestrengt, das jedoch 2010 scheiterte. Auch ein zweiter Versuch eines Parteiausschlusses im Jahr 2011 war nicht erfolgreich.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.