Kevin Kühnert: Warum die SPD Gemeinnützigkeit wieder stärken will
Dirk Bleicker; dirkbleicker.de
Die SPD hat sich im Koalitionsvertrag stark gemacht für andere Formen des Wirtschaftens, mit mehr „Kapitalbeteiligungen von Mitarbeiter*innen“, „Sozialunternehmen“ oder „Gesellschaften mit gebundenem Vermögen“. Dabei gehe es um eine neue Rechtsform für mehr Verantwortungseigentum, erklärt Kevin Kühnert auf dem Debattenkonvent der SPD am Samstag in Berlin-Neukölln.
Die Idee: gemeinsam anders wirtschaften
Der Idee vorausgegangen sei eine Veranstaltung zu alternativen Formen des Wirtschaftens vor zwei Jahren im Willy-Brandt-Haus mit dem heutigen Co-Vorsitzenden Lars Klingbeil. Man habe damals zum ersten Mal die „Stiftung Verantwortungseigentum“ zu Gast gehabt, einem Zusammenschluss von Unternehmen aus dem Gründer*innenbereich bzw. Familienunternehmen, fährt Kühnert fort. Deren Wunsch nach einer Rechtsform, in der sie nachhaltig wirtschaften können, habe man aufgegriffen.
Gemeinsam mit Philippa Sigl-Glöckner, Gründerin der Denkwerkstatt „Dezernat Zukunft“ und dem Vorsitzenden der Gewerkschaft IGBCE Michael Vassiliadis diskutiert Kühnert das Thema Verteilungsgerechtigkeit in der Transformation: „Wir ändern die Spielregeln: gemeinsam anders wirtschaften“. Dabei geht es um Fragen, wie andere Spielregeln auch zu guter Arbeit und nachhaltigem Wirtschaften beitragen können, welche Rolle den Beschäftigten dabei zukommt und wie es mit der Finanzierung der Transformation aussieht?
Qualität der Mitbestimmung stärken
Für Philippa Sigl-Glöckner ist die Transformation auch deshalb eine große Herausforderung, weil Staat und Wirtschaft so eng zusammenabreiten, wie niemals zuvor, erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin. Das gehe nicht anders, wenn man bedenke, was alles passieren muss. Aber wie sei es hinzukriegen, dass die Entwicklung nicht so asymmetrisch wird und der Staat die ganze Rechnung zahlt und die Unternehmen sich die Dividenden teilen, fragt sie. Für Sigl-Glöckner ist klar, dass „wir die Spielregeln so gestalten müssen, dass wir gute Jobs hinkriegen“, fordert sie. In der Transformation würden nicht nur Fachkräfte gebraucht, sondern auch Leute mit Geld auf dem Konto.
Der Gewerkschafter Michael Vassiliadis greift diese Forderung auf. Es wäre falsch zu glauben, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innen gegen die Transformation seien, betont er. „Ich würde dafür plädieren, ihr Potenzial und Know-how nicht zu unterschätzen.“ Dafür sei es notwendig, die Qualität der Mitbestimmung und auch die Rolle der Gewerkschaften zu stärken.
Kühnert weist in diesem Zusammenhang auf ein Beispiel aus seinem Wahlkreis hin. Dort befinde sich ein Daimlerwerk, dass Verbrenner Motoren herstelle, „genau das, was in Zeiten der E-Mobilität nicht mehr gebraucht wird“, so Kühnert. Den 2.500 Mitarbeiter*innen sei es beim Erhalt ihrer Arbeitsplätze um die Frage gegangen, ob ihr Werk ein Produktionsstanddort bleibe. Den Standort konnten sie mit einer starken Gewerkschaft an ihrer Seite erhalten. Künftig würden Komponenten für E-Mobilität produziert werden. So könne Transformation gelingen, sagt Kühnert.
SPD will Wohnungsgemeinnützigkeit
Aber auch ein Beispiel zum anderen wirtschaften kann Kühnert liefern. Dabei geht es um den gemeinnützigen Wohnungsbau, den die SPD wieder revitalisieren will. Wenn der Staat heute bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen will, sei das nur mit Subventionen möglich, so Kühnert. Denn die Ausgaben seien inzwischen so hoch, dass eine Realisierung der Investitionen nur über einen Quadratmeterpreis von rund 14 Euro Kaltmiete möglich sei. Zu teuer, sagt Kühnert. Man benötige Wohnraum für sieben bis acht Euro den Quadratmeter. Aber wenn der Staat schon so viel Geld investieren müsse, dann könne man auch eine Rechtsform daraus machen, ist Kühnert überzeugt. Ein langfristiges Tauschgeschäft mit der Eigentümerin oder dem Eigentümer soll dabei garantieren, dass eine subventionierte Wohnung nicht nach 20 Jahren auf den freien Markt komme, sondern dauerhaft zu einem günstigen Mietpreis zur Verfügung stehe. „Die Wohnungsgemeinnützigkeit gab es schon mal in Deutschland“, betont er. 1989 wurde sie unter der schwarz-gelben Regierung abgeschafft.
Staat kann mit gutem Beispiel vorangehen
Philippa Sigl-Glöckner ist überzeugt, dass genug Geld da ist. Aber wie kann es investiert werden, um damit nicht Renditen von einigen Wenigen zu fördern, sondern dem Gemeinwohl zugute kommt, fragt sie. Gleiches gelte für notwendige Investitionen in den Klimaschutz. Die Frage hier: „Wie verteilen wir die Kosten?“
Gleichzeitig weist Sigl-Glöckner darauf hin, dass der Staat berreits jetzt eine große Rolle spiele, wenn es um gute Arbeit geht: Beispiel öffentliche Dienstleistungen. Da könne sich der Staat mal an die eigene Nase packen und für gute Beschäftigungsbedingungen sorgen in den Bereichen Pflege und Erziehung, betont sie. Das würde uns alle weiterbringen, auch um so ausreichend Personal zu bekommen, fügt sie hinzu. Aber auch um das Spielfeld anders zu definieren. „Dann muss die private Wirtschaft erstmal darüber gehen.“
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.