Kevin Kühnert: Eines macht die CSU besser als die SPD
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Die Jusos und ihr Bundesvorsitzender stehen vor einem Dilemma. „Wir müssen unsere eigene These widerlegen“, so Kevin Kühnert. Schließlich hatten die Jusos vor dem SPD-Mitgliederentscheid zur großen Koalition behauptet, dass Regieren und Erneuerung zugleich unmöglich seien. Er sei immer noch skeptisch. Allerdings: „Wir haben den Erneuerungsprozess gefordert, deswegen will ich mit den Jusos Verantwortung übernehmen“, sagt er auf einer Podiumsdiskussion, veranstaltet von der SPD Berlin. Das Thema: „Die SPD in der Großen Koalition: Wie gelingt die Neuausrichtung?“
„Legitimer Anspruch“
Kühnert kündigte an, dass er mit seinem Verband eine Arbeitsgruppe im Rahmen der Erneuerung verantworten wolle – und zwar im Bereich der sozialen Teilhabe. „Wir haben Mitglieder verloren, weil wir nicht deren Vorstellung von sozial gerechter Politik nachgekommen sind“, begründet er den Anspruch. Gleichzeitig macht er klar, dass er keinen SPD-Politiker in dieser Position sehen wolle, der mit der Hartz-IV-Gesetzgebung in Verbindung gebracht werde. Unterstützung für die Forderung nach einer eigenen Arbeitsgruppe bekommen die Jusos von Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin und SPD-Landesvorsitzender. Dies sei ein „legitimer Anspruch“. „Wir sind eine Volkspartei und das muss sich in allen Gremien widerspiegeln“, erklärt er.
Mit Müller sitzt an diesem Dienstagabend der Politiker im Podium, der mit seiner Forderung nach einem „solidarischen Grundeinkommen“ eine Debatte in der Partei ausgelöst hat. Mit seinem Vorschlag ziele er auf die Arbeitsmarktpolitik, mit der die SPD rechtzeitig auf Automatisierung und Digitalisierung reagieren müsse. „Was können wir Menschen, die arbeitslos werden, abseits von Hartz IV bieten?“, fragt er in das Publikum. Grundsätzlich offen äußert sich Kevin Kühnert: „Ich kann dem Vorschlag durchaus etwas abgewinnen.“
Misstrauen in der Bevölkerung
Wenig verwunderlich kommt die Diskussion, die in der ver.di-Bundesverwaltung stattfindet, immer wieder auf das Thema Hartz IV zu sprechen. „Wir müssen uns in der SPD ehrlich machen, dass wir Politik gegen große Teile der Bevölkerung gemacht haben“, sagt der Berliner SPD-Chef. Es gebe ein Grundmisstrauen in der Bevölkerung. „Nach der vierten verlorenen Bundestagswahl muss man es auch mal lernen.“
Kühnert betont, dass die SPD in dieser Diskussion nicht erst am Anfang stehe. So gebe es bereits Parteitagsbeschlüsse zur Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen für Menschen unter 25 Jahren. Der Juso-Bundesvorsitzende fordert deswegen eine allgemeine Diskussion um die Strafen, für deren Abschaffung er plädiert. „Wenn wir eine Grundsicherung haben, dann darf das nicht relativierbar sein, dann darf nichts mehr abgezogen werden.“
Sperrige Begriffe
Für die Erneuerung der Partei fordert Berlins Regierender Bürgermeister neben einer Reform der Hartz-IV-Gesetzgebung auch eine eindeutigere Positionierung der SPD. Seiner Ansicht nach fehle ein klares Profil, für das die Partei stehe. Als Beispiel führt er das Thema Mieten und Wohnen an. „In der Bundespartei ist noch nicht angekommen, dass es sich dabei nicht nur um ein Großstadtthema handelt.“
Kevin Kühnert wünscht sich zudem eine bessere Kommunikation der Partei nach außen. Das heißt: „zugespitzte politische Botschaften, die nicht populistisch sind“. Als Beispiel führt er die CSU an, die mit Begriffen wie „Mütterrente“ oder „Obergrenze“ ihre Themen besser auf den Punkt bringe. Die SPD habe hingegen sperrig vom „Familiennachzug für subsidiär geschützte Menschen“ oder der „Abschaffung der sachgrundlosen Befristung“ gesprochen. Niemand fühle sich davon angesprochen, so der Juso-Chef.
Frage der Glaubwürdigkeit
Auf dem Podium gibt Michael Müller daraufhin zu bedenken, dass beispielsweise der Begriff „Bürgerversicherung“ durchaus konkret sei. Juso-Chef Kühnert kontert, dass die SPD zwar für die Bürgerversicherung stehe, aber: „Das glaubt uns keiner mehr.“ Die Forderung sei in vier Bundestagswahlkämpfen hintereinander im Wahlprogramm gestanden. „Wenn man nicht bereit ist, ein Thema zu einem unverhandelbaren Punkt zu machen, dann nagt das an der Glaubwürdigkeit.“