Katarina Barley: Das SPD-Wahlprogramm wird gut zu Martin Schulz passen
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Der SPD-Parteivorstand hat am Montag den Leitantrag zum Bundestagswahlprogramm für den Parteitag am 25. Juni beschlossen. Was sind die zentralen Punkte?
Deutschland ist ein starkes Land, das wir für die Zukunft fit machen wollen. Dieses Ziel ist der Kern unseres Programms. Deshalb wollen wir stark in Bildung, Forschung und Innovation investieren. Wichtig ist uns dabei vor allem der Aspekt der Gerechtigkeit: In einer Zeit, in der vieles im Umbruch ist, wollen wir den Menschen Sicherheit geben und sie dabei unterstützen, ihr Leben so führen zu können, wie sie es möchten.
Was bedeutet das konkret?
Gut beschreiben lässt sich das am Martin Schulz‘ Vorschlag eines ALG Q. Besonders die Arbeitswelt verändert sich durch die Digitalisierung rasant und deutlich schneller als noch vor wenigen Jahren. Wer heute seinen Arbeitsplatz verliert und einen neuen sucht, kann recht schnell in die Situation kommen, dass seine Qualifikationen nicht den aktuellen Anforderungen entsprechen. Das ALG Q setzt genau hier an, indem es Menschen für die gesamte Dauer einer Weiterqualifikation finanziell unterstützt, und zwar bis zu 48 Monate. Wenn Sie es noch konkreter wollen: Als vor einigen Jahren Schlecker Pleite gegangen ist, wollten viele der ehemaligen Verkäuferinnen einen sozialen Beruf ergreifen – also in einem Bereich, in dem es einen großen Bedarf gibt. In den meisten Fällen hat das aber nicht geklappt, weil die Dauer der Weiterbildung so lang gewesen wäre, dass die Frauen während dieser Zeit in Hartz IV gefallen wären. Das ALG Q wäre für sie ideal gewesen. Es gibt den Menschen Sicherheit und ist gleichzeitig eine Antwort auf den Fachkräftemangel.
Der Weg zum Wahlprogramm hat mit einer „Wertekonferenz“ vor fast genau einem Jahr begonnen. Was ist Ihr Fazit der vergangenen zwölf Monate?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf des Programmprozesses. Wir haben unglaublich viel Beteiligung organisiert von der Wertekonferenz im Mai 2016 über vier Programmkonferenzen, Expertengespräche und viele Einzelveranstaltungen bis zum Verbändedialog Anfang dieses Jahres. Dabei haben wir viele Impulse aufgenommen. Als Mitglied der Programmkommission war ich die ganze Zeit sehr nah dran und habe mit jeder Etappe gemerkt, wie das Programm Schritt für Schritt besser wird.
Der Anspruch war, bei der Entstehung des Programms die Ideen möglichst vieler Menschen innerhalb und außerhalb der SPD einzubinden. Ist das gelungen?
Ja, das ist uns sehr gut gelungen. Wir haben bei den genannten Gelegenheiten und darüber hinaus sehr viele Vorschläge eingesammelt und bewertet. Bei den abschließenden Expertengesprächen hatten wir ganz unterschiedliche Verbände am Tisch, die zum Teil auch entgegengesetzte Ziele vertreten haben. Dieser Austausch war sehr bereichernd. Am Ende basiert unser Programm natürlich auf unseren sozialdemokratischen Grundwerten.
Nun sind die SPD-Mitglieder gefragt, die für den Parteitag Änderungsanträge stellen können. Was erwarten Sie da?
Das ist schwer abzuschätzen. Als Programmkommission war es uns wichtig in diesem Leitantrag Ziele zu beschreiben und die Wege, wie wir diese erreichen wollen. Die Menschen sollen eine Vorstellung davon bekommen, wie die SPD Deutschland regieren will. Das ist der Sinn des Leitantrags und nicht, schon Gesetze vorzuformulieren. Ich denke, die Mitglieder werden das genauso sehen.
In den letzten Wochen gab es Kritik, die SPD würde ihr Wahlprogramm zu spät vorlegen. Die Menschen wüssten nicht, wofür die Partei steht. Können Sie das nachvollziehen?
Nein, diesen Vorwurf kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Zum einen hat bisher keine der etablierten Parteien ein Wahlprogramm vorgelegt. Die CDU hat noch nicht mal richtig angefangen, eins zu entwickeln. Zum anderen läuft unser Programmprozess wie erwähnt bereits seit einem Jahr. Die Zwischenergebnisse haben wir in einem Impulspapier und in 20 Thesen öffentlich gemacht. Wer möchte, kann sich also recht einfach ein Bild davon machen, was wir in der künftigen Bundesregierung umsetzen wollen.
Nach der Bundestagswahl 2013 hieß es, Programm und Kandidat hätten nicht zusammengepasst. Wieviel Einfluss hat Martin Schulz auf das aktuelle Programm genommen?
Martin Schulz hatte seit seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten großen Einfluss auf den Leitantrag. Das Wahlprogramm muss am Ende zu ihm passen und das wird es auch. Das gilt übrigens nicht nur für die Inhalte, sondern auch für die Art, wie es geschrieben ist. Wir müssen wegkommen von einem technokratischen Sprech und dafür sorgen, dass unser Programm verständlich und lesbar ist. Auch das passt sehr gut zur Art von Martin Schulz. Selbstverständlich wird er noch selbst zu bestimmten Bereichen Schwerpunkte setzen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.