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Kandidaten-Rede: Auf diese Themen setzt Martin Schulz im Wahlkampf

Sie war mit Spannung erwartet worden: In einer einstündigen Rede hat der designierte Kanzlerkandidat der SPD Martin Schulz am Sonntag die Grundlinien des bevorstehenden Bundestagswahlkampfs skizziert. Eine klare Botschaft hatte er für alle Rechtspopulisten.
von Kai Doering · 29. Januar 2017
„Ich trete mit dem Anspruch an, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.“ Martin Schulz am Sonntag im Willy-Brandt-Haus
„Ich trete mit dem Anspruch an, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.“ Martin Schulz am Sonntag im Willy-Brandt-Haus

Die SPD ist in diesen Tagen kaum wiederzuerkennen. Seit am Dienstagnachmittag bekannt geworden ist, dass Martin Schulz die Partei als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf führen soll, wirken die Genossen euphorisiert. In wenigen Tagen gab es Hunderte Neueintritte. Kein Wunder also, dass die Stimmung am frühen Sonntagnachmittag im Willy-Brandt-Haus ausgelassen ist.

Schulz: „Aufbruchstimmung ist im ganzen Land greifbar“

Rund 1000 Interessierte sind in die Parteizentrale in Berlin gekommen, um die erste Rede von Martin Schulz als designiertem Kanzlerkandidaten zu hören. Vor der Tür hatte sich schon eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn eine lange Schlange gebildet. Nun stehen sie im Atrium dicht an dicht vor einem überlebensgroßen SPD-Schriftzug. Auch die Balkone des fünfstöckigen Gebäudes bevölkern Menschen.

„Aufbruchstimmung und neue Hoffnung sind im ganzen Land greifbar“, greift Martin Schulz die Atmosphäre in der Parteizentrale auf. Den gespannten Zuhörern im Willy-Brandt-Haus verspricht er gleich zu Anfang: „Wir werden die Wahlen in diesem Jahr richtig spannend machen!“

Steuergerechtigkeit im Zentrum des Bundestagswahlkampfs

Die SPD wolle bei der Bundestagswahl stärkste Kraft werden und er „trete mit dem Anspruch an, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden“. Nach der Nominierung durch das Präsidium am Dienstag hatte am Sonntagvormittag auch der Parteivorstand Schulz einstimmig als Kanzlerkandidaten und künftigen SPD-Vorsitzenden nominiert.

In seiner gut einstündigen Rede skizziert Martin Schulz die Grundlinien des bevorstehenden Bundestagswahlkampfes. So sollen die Themen Steuergerechtigkeit und der Kampf gegen Steuerflucht im Zentrum stehen. „Wir werden die hart arbeitenden Menschen, die sich an die Regeln halten, in den Mittelpunkt unserer Politik stellen“, verspricht Schulz. Sie hätten jeden Respekt verdient.

Europäische Solidarität in der Flüchtlingspolitik

Die SPD müsse auch „Anwalt der Menschen sein, die sich fürchten“ – etwa wegen der steigenden Zahl von Wohnungseinbrüchen und Vandalismus. Darüber hinaus plädiert Schulz in seiner Rede für die kostenfreie Bildung „von der Kita bis zum Studium“, einen besseren Umweltschutz („Wir dürfen unseren Kindern kein vergiftetes Erbe hinterlassen.“) und eine „Grundrechte-Charta für die digitale Welt“, um das Recht des Einzelnen im Netz zu stärken.

In der Flüchtlingsfrage zeigt sich Martin Schulz in seiner Rede kompromisslos. „Wenn Menschen vor dem Terror des Islamischen Staates fliehen, haben sie Schutz in Europa verdient“, sagt der frühere Präsident des Europa-Parlaments. Gleichzeitig fordert er eine faire Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Wenn sich manche Länder weiterhin weigerten, ihren Verpflichtungen nachzukommen, müsse die kommende Bundesregierung die Frage der Solidarität mit der europäischen Finanzplanung verbinden. Im Klartext: Wer keine Flüchtlinge aufnimmt, sollte künftig weniger EU-Fördergelder erhalten.

Die AfD, „eine Schande für die Bundesrepublik“

Hart geht Martin Schulz mit den europäischen Rechtspopulisten vom französischen „Front National“ bis zur deutschen AfD ins Gericht. Die AfD sei „keine Alternative für Deutschland, sondern eine Schande für die Bundesrepublik“. Wozu ein blinder Nationalismus führe, habe man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesehen. „Das Bollwerk gegen diesen wütenden Nationalismus hat drei Buchstaben: SPD.“

Einen Bundestagswahlkampf, der dem US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf ähnelt, will Martin Schulz vermeiden. Der „fehlende Anstand“ und der Hass in den politischen Debatten in den USA haben ihn erschreckt. „Ich werde fair mit unseren politischen Mitbewerbern umgehen“, verspricht der designierte Kanzlerkandidat und kündigt an, ein „Fairness-Abkommen“ mit den anderen Parteien schließen zu wollen, das etwa „Social Bots“ und „Fake News“ im Wahlkampf ausschließen soll.

„Ich schäme mich nicht, dass ich aus Würselen komme“

Auch auf seine Herkunft kommt Schulz in seiner Rede zu sprechen. Er habe in den vergangenen Tagen viel darüber gelesen, dass er kein Abitur und nicht studiert habe und aus der Provinz komme. All das sehe er nicht als Makel. „Ich schäme mich nicht, dass ich aus Würselen komme und das meine Heimat ist“, ruft er den Zuhörern im Willy-Brandt-Haus zu.

Vielmehr teile er all diese Zuschreibungen mit der Mehrheit der Menschen in Deutschland. „Ein Bundeskanzler muss die Sorgen und Hoffnungen der Menschen nicht nur verstehen, sondern selbst mit tiefer Empathie spüren können“, ist Schulz überzeugt. Er habe alles „von der Pike auf“ gelernt. „Wenn man elf Jahre Bürgermeister war, weiß man, was die Menschen bewegt.“

200 Neueintritte währen der einstündigen Rede

Das sieht auch Martin Klein so. Der Sozialdemokrat ist extra aus Leipzig ins Willy-Brandt-Haus gekommen, um Schulz’ Rede zu hören. „Hier hat ein echter Kommunalpolitiker gesprochen“, freut sich Klein. Ihm hat vor allem der persönlich Stil von Schulz’ Rede gefallen. „Ein Parteiprogramm vorlesen kann schließlich jeder.“

„Es ist gut, dass Martin Schulz kein Kandidat mit der üblichen Parteilaufbahn ist“, meint auch Hendrik Küpper. Er kommt aus Beckum in Nordrhein-Westfalen, studiert aber zurzeit an der Freien Universität in Berlin. „Die biografischen Bezüge haben mich sehr angesprochen.“ Auch Bettina Stinner hat sich in Schulz’ Worten wiedergefunden. „Es war eine Rede, die zurück an unsere Wurzeln geht“, sagt die Sozialdemokratin aus dem brandenburgischen Nauen.

Dass dies offenbar viele andere ähnlich sehen, beweist eine nackte Zahl, die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley zum Abschluss des Nachmittags vor dem schwindenden Publikum verkündet. So seien während der einstündigen Rede von Martin Schulz allein auf spd.de 200 Menschen in die Partei eingetreten. „Ab heute“, so Barley, „sind wir im Wahlkampf.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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