K-Frage: SPD will sich nicht treiben lassen
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Nun ist es also sicher: Angela Merkel will auch über das Jahr 2017 hinaus Bundeskanzlerin bleiben. Am Sonntag hat sie in Berlin erklärt, für die kommende Bundestagswahl noch einmal ihren Hut in den Ring zu werfen. Für Beobachter kam die Erklärung alles andere als überraschend – hat die Union aktuell doch niemanden zu bieten, den sie an Merkels Stelle ins Rennen um das Kanzleramt schicken könnte.
Barley über Merkel: „kraftloser Auftritt“
Auch für SPD-Generalsekretärin Katarina Barley war Merkels Entscheidung „absolut überraschungsfrei“, wie sie am Montag in Berlin erklärte. Zu Merkels Ankündigung sagte Barley: „Es war gestern ein ziemlich kraftloser Auftritt und man muss schon sagen, dass nach bald zwölf Jahren die Luft bei Frau Merkel offensichtlich raus ist.“ Die Kanzlerin habe keine Lösungen für die Probleme in Deutschland – alle erfolgreichen Projekte der großen Koalition stammten aus der Hand der SPD, so Barley. Gemeint sind etwa der Mindestlohn oder jüngst die gesetzliche Stärkung Alleinerziehender durch den staatlichen Unterhaltsvorschuss. „Die SPD hat in dieser Legislaturperiode schon viel erreicht“, sagte die Generalsekretärin. „Aber viel ging eben auch mit der Union nicht.“
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig sieht das ähnlich. „Die Union ist beim Thema Familienpolitik blank“, kritisierte sie ihren Koalitionspartner. Die Sozialdemokraten wollen dagegen voll auf das Thema Familien setzen. So sollen nach den Plänen der SPD noch in dieser Legislaturperiode Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden. „Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag wollen das – bis auf die Union“, sagte Schwesig. Mit anderen Worten: Rein rechnerisch gibt es beim Thema Kinderrechte schon jetzt eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bund. Eine Fortsetzung der großen Koalition nach der Wahl ist demnach für die stellvertretende Parteivorsitzende nicht erstrebenswert. Die SPD will laut Schwesig keine Neuauflage von Schwarz-Rot, sondern „den Kanzler stellen können in anderen Koalitionen“.
Die Union hat ihre Schmerzgrenze erreicht
Eine konkrete Koalitionsaussage gibt es von der SPD trotzdem nicht. „Es wird die erste Bundestagswahl sein in dieser Republik, in die keine Partei mit einer Koalitionsaussage zieht“, sagte Barley über das Wahljahr 2017. Zugleich gab sie zu bedenken, dass der aktuelle Koalitionsvertrag für die Union ohnehin eine „Zumutung“ sei. Die Konservativen seien in der Regierung bis an ihre „Schmerzgrenze“ gegangen. Will heißen: Die SPD habe es unter Kanzlerin Merkel geschafft, viele sozialdemokratische Projekte gegen den Widerstand der Christdemokraten durchzusetzen. Wichtiger als die bisherige Rolle der Union ist für Schwesig jedoch die Frage, für welche Politik sich Merkel über das Jahr 2017 einsetzen wolle. „Ich glaube, dass Frau Merkel ihre Verdienste hat, dass sie aber nicht mehr für die Zukunft steht“, meinte Schwesig.
Wer für die SPD in das Rennen um das Kanzleramt einsteigt, bleibt allerdings weiterhin offen. Die SPD verfolge in dieser Fragen ihren eigenen Fahrplan, von dem ihre Partei auch nicht abrücken werde, erklärte Katarina Barley. Es gebe keinen Grund dafür, „Aufregung zu verbreiten“. Die SPD werde ihren Spitzenkandidaten planmäßig Ende Januar 2017 küren. Mit Parteichef Sigmar Gabriel und dem EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz werden dafür im politischen Berlin aktuell zwei Spitzenpolitiker als mögliche Kandidaten gehandelt. Sollte es in der SPD mehr als einen Interessenten an dem Job des Bundeskanzlers geben, werde ihre Partei eins tun, versprach Katarina Barley: „Dann machen wir einen Mitgliederentscheid.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.