„Gerecht für alle“ – Unter diesem Motto diskutierten die Jusos zwei Tage lang über Themen, die sie in das Wahlprogramm von 2013 einfließen lassen wollen. Kernfragen des Kongresses: Welche Wirtschaft wollen wir? Was heißt Demokratie wagen? Und was sind die Sorgen junger Menschen heutzutage?
Alles Geld verprassen und dann abtreten, das wäre Julia Friedrichs Plan, wenn sie Königin von Deutschland wäre. „Ich würde Erzieher und Lehrer extrem gut bezahlen und extrem viel Geld in öffentliche Orte wie Bibliotheken stecken“, so die Journalistin und Buchautorin. Anlass des Gedankenspiels war die Auftaktveranstaltung des Juso-Kongresses am 18. Mai in Berlin.
Piratin Julia Schramm, ebenfalls zur Auftaktveranstaltung der Jusos eingeladen, würde stattdessen ein ganz neues Bildungssystem einführen wollen. Eines ohne Klassenverband und das so „flüssig“ ist, wie alles, was die Piraten angehen: Liquid Feedback, Liquid Democracy und jetzt eben auch Liquid School. Und Wirtschaftsprofessor Sebastian Dullien, der dritte Gast der Podiumsdiskussion, der würde gern alle entlassen, die dem Fiskalpakt in seiner jetzigen Form zustimmen. Er kritisiert vor allem die begrenzten Investitionsmöglichkeiten. „Jeder Manager, der sich für 1,5 Prozent Zinsen Geld leihen könnte, um es für zehn Prozent Rendite anzulegen und das nicht tut, gehört rausgeschmissen. Und das gilt auch für alle, die den Fiskalpakt unterstützen“, so Dullien.
Die Zukunft des Fiskalpaktes
Wie umgehen mit dem Fiskalpakt, das ist auch ein Diskussionsthema innerhalb der SPD. Eine Online-Petition gegen den Fiskalpakt haben die Jusos bereits gestartet. Die Frage, die sich den Jungsozialisten nun stellt: Welche Wirtschaft wollen wir? „Ich glaube, das ist ein Bereich, in dem es auch innerhalb der SPD noch gilt, dicke Bretter zu bohren“, gibt Juso-Vorsitzender Sascha Vogt zu bedenken. „Weil, ja, wir in der SPD sind alle leicht gegen den Fiskalpakt, aber ohne deutlich zu sagen: Eigentlich finden wir das ganze Ding scheiße und man müsste grundsätzlich neu verhandeln“, so Vogt. Statt für eine einseitige Sparpolitik, plädiert der Juso-Vorsitzende vor allem für eine Erhöhung der Vermögenssteuer und des Spitzensteuersatzes.
Julia Friedrichs, die für Recherchen eine Zeit lang in die Kreise der Reichen eintauchte, bezweifelt den Erfolg solcher Steuererhöhungen: „Diese Kreise koppeln sich immer mehr ab von der Gesellschaft, sei es über Privatschulen oder durch Steueroasen“, so Friedrichs. In der Schweiz sei sie vielen Deutschen begegnet, die aus Steuergründen ausgewandert seien, und bei niemandem hätte sie Reue oder Einsicht gespürt. „Ich glaube, das ist eine der Kernaufgaben der Politik, diese Leute wieder in Haftung zu nehmen und zu sagen: Es geht nicht, dass ihr euch komplett verabschiedet“, fordert Friedrichs.
Sinkende Solidarität bei den Eliten
Den Trend, dass immer mehr Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schicken, beobachtet Friedrichs deshalb mit Sorge: Schulen und Universitäten seien zentrale Orte, um Solidarität überhaupt zu entwickeln. „Die meisten Jugendlichen auf Privatschulen kennen Hartz-IV-Empfänger nur aus dem Fernsehen und sind dementsprechend voller Vorurteile“, sagt Friedrichs.
Julia Schramm plädiert deshalb für das bedingungslose Grundeinkommen, einer Idee, der sich die Piraten verschrieben haben: „Wir wollen uns grundsätzlich davon verabschieden, dass man nur leben kann, wenn man auch arbeitet“, so Schramm. Damit würde grundsätzlich niemand mehr stigmatisiert, der nicht arbeiten ginge, so Schramm. Viele Befürworter konnte sie auf dem Kongress jedoch nicht für diese Idee gewinnen. Friedrichs und Vogt bezweifelten vor allem die Finanzierbarkeit. „Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist doch den Steuerflüchtigen egal“, kritisiert Friedrichs.
Vorbild Frankreich
Und Dullien gibt zu bedenken, ein bedingungsloses Grundeinkommen könne die Akzeptanz von Sozialleistungen in der Gesellschaft zerstören. Denn eine solche Leistung würde enorme Steuererhöhungen erfordern. „Steuern, die fällig werden, damit andere nicht arbeiten müssten, zerstören die Legitimität von Transferleistungen“, argumentiert Dullien. Wie Vogt plädiert er deshalb für eine Erhöhung der Vermögens- und Spitzensteuer, wünscht sich von der SPD jedoch mutigere Schritte. „Warum nicht an Frankreich orientieren? Ab einem Einkommen in Millionenhöhe spricht nichts gegen einen Steuersatz von über 70 Prozent“, sagt der Wirtschaftsexperte.
Wie hoch die Vermögenssteuer ausfallen soll und mit welchen Maßnahmen sonst noch die Jusos auf eine stärkere Umverteilung zwischen Arm und Reich hinarbeiten wollen, wird erst im November auf dem Juso-Bundeskongress entschieden. Bis dahin sollen die Ergebnisse des Basiskongresses im Internet und auf folgenden Veranstaltungen weiter diskutiert werden. Im November wollen die Jusos dann ihre zentralen Forderungen für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 beschließen. Denn dieses Mal wollen sie sich die Wahlkampagne nicht wieder „von oben“ diktieren lassen.
ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.