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Juso-Jugendkonferenz: Wie ein gerechter Sozialstaat möglich ist

Heute werden die Jusos 100 Jahre alt. Am Samstag diskutierte der Verband auf seiner Jugendkonferenz unter anderem über Herausforderungen für eine gerechte Sozialstaatspolitik.
von Jonas Jordan · 12. Oktober 2020
Symbolbild: Kevin Kühnerts letzte Jugendkonferenz als Juso-Vorsitzender.
Symbolbild: Kevin Kühnerts letzte Jugendkonferenz als Juso-Vorsitzender.

Es war eine Jugendkonferenz unter ungewöhnlichen Umständen. Eigentlich hätte sie bereits Anfang April in Berlin über die Bühne gehen sollen. Doch bedingt durch die Corona-Pandemie wurde sie in den Oktober verschoben und ausschließlich digital ausgerichtet. Es war zugleich die letzte Jugendkonferenz für Kevin Kühnert, der im November nach drei Jahren seinen Posten als Bundesvorsitzender der circa 80.000 Jusos in Deutschland aufgibt. Zum Abschluss der Konferenz diskutierte Kühnert mit der parlamentarischen Staatssekretärin Kerstin Griese und der Vorsitzenden des Sozialverbands VdK Verena Bentele über Herausforderungen für eine gerechte Sozialstaatspolitik.

Besserer Schutz von Soloselbstständigen

Wie können Soloselbstständige besser geschützt werden? Diese Frage war Teil der Debatte. Denn die VdK-Vorsitzende Verena Bentele merkte angesichts der Corona-Pandemie an: „Für sie werden die nächsten Monate richtig hart.“ Sie brachte daher ins Gespräch, dass auch Selbstständige und Freiberufler in die Arbeitslosenversicherung einzahlen könnten. „Dann wäre die Situation für sie jetzt einfacher“, argumentierte sie und forderte zugleich mehr finanzielle Hilfen für diese Berufsgruppen. „Das Corona-Hilfspaket ist groß, in Zukunft wird die Absicherung von Selbstständigen ein Thema sein müssen“, sagte Bentele.

Kerstin Griese, SPD-Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, wies darauf hin, dass Selbstständige kein Kurzarbeitergeld bekommen könnten, da sie eben nicht in die Arbeitslosenversicherung einbezahlen. Zwar gäbe es für sie die Möglichkeit, Grundsicherung zu beantragen. Doch viele scheuten sich davor. Im Hinblick auf mögliche finanzielle Hilfen und andere Unterstützungsmodelle sagte sie: „Ich sehe auch den Wirtschaftsminister in der Pflicht. Ich persönlich kann mir beispielsweise gut auch eine Starthilfe für Künstler und Kulturschaffende vorstellen, wenn es wieder los geht.“

Unterstützung für Studierende und Auszubildende

Kevin Kühnert wies daraufhin, dass bedingt durch die Corona-Pandemie bereits 700.000 Studierende ihre Jobs verloren haben. Er kritisierte in diesem Kontext Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) für ihr aus seiner Sicht unzureichendes Nothilfeprogramm für Studierende. Dieses habe falsche Richtwerte angesetzt. Zum Beispiel mussten Studierende nachweisen, dass sie weniger als 500 Euro auf dem Konto haben, um Anspruch auf die Nothilfe zu haben. Stattdessen würden Studierenden KfW-Kredite wie „Sauerbier“ angepriesen. „Nach der Corona-Pandemie brauchen dann viele zwei Studi-Jobs: einen für den Lebensunterhalt und einen, um den Kredit zurückzuzahlen“, kritisierte Kühnert. Deswegen lohne es sich, den Druck weiter hoch zu halten. Er warnte: „Teilweise geht die Zahl der Studienabbrüche schon nach oben.“

Im Hinblick auf die Situation vieler Auszubildender mahnte er, dass es keine verlorene Generation geben dürfe. Positiv hob der Juso-Vorsitzende hervor, dass viele kommunale Unternehmen die Anzahl an Ausbildungsplätzen erhöht hätten, um dem Mangel zu begegnen.

Umsetzung des SPD-Sozialstaatskonzepts

„Wir werden das Sozialstaatskonzept in der GroKo nicht eins zu eins umsetzen können“, sagte Kerstin Griese. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass Teile des Konzepts bedingt durch die Corona-Pandemie bereits erfüllt würden. Beispielsweise ist es aktuell möglich, Grundsicherung zu beantragen, ohne dass die Größe der Wohnung auf Zulässigkeit überprüft wird. „Wir hatten begeisterte Reaktionen aus den Jobcentern, weil es ihnen viel Arbeit spart“, berichtete Griese. Auch sei die Vermögensprüfung aktuell ausgesetzt. Noch in dieser Wahlperiode sei außerdem geplant, Sanktionen für unter-25-Jährige abzuschaffen.

„Unser Konzept zielt darauf ab, dass die Leute gar nicht erst in Hartz IV kommen“, sagte Kevin Kühnert. Durch das Arbeitslosengeld Q, dem sozialen Arbeitsmarkt, dem Nachholen einer Berufsausbildung und anderen Sicherungsmechanismen sollten Menschen stattdessen möglichst schnell wieder den Weg zurück in den Arbeitsmarkt finden. Auch solle es das Recht auf eine berufliche Neuorientierung geben, die durch Weiterqualifizierung gefördert werde: „Es muss neue Normalität nach der Pandemie geben, dass Menschen das Recht haben, sich neu zu orientieren und dafür auch die Unterstützung bekommen.“

Verena Bentele wies zudem auf die Notwendigkeit hin, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Diese müsse dringend kommen. Denn: „Es gibt gute Maßnahmen im Bildungs- und Teilhabepaket, aber sie sind zu abstrakt, zu weit weg und werden daher zu wenig in Anspruch genommen.“ Kevin Kühnert kommentierte, dass es genau drei Parteien im Bundestag gebe, die sich für eine Kindergrundsicherung einsetzten. „Das kann durchaus ein Fingerzeig für künftige Koalitionen sein“, sagte der stellvertretende SPD-Chef.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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