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Jugend ohne Bewegung?

von Gero Fischer · 20. März 2010
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Den Ort für ihren Kongress haben die Jusos nicht zufällig gewählt. Die Erst-Abbe-Schule liegt mitten im Berliner Bezirk Neukölln. Hier könne niemand die Augen verschließen vor den gesellschaftlichen Problemen und der immer größer werdenden sozialen Spaltung, so die Juso-Bundesvorsitzende Franziska Drohsel. Vor 500 angereisten Jusos sprach sie mit Michael Hartmann, Wolfgang Gaiser und Markus Etscheid-Stams über die Situation der Jugendlichen im Jahr 2010.

Die erste Analyse auf dem Podium fiel einheitlich aus: Jugendliche haben es heute schwerer als die Generation ihrer Eltern. Leistungsdruck und Konkurrenzdenken setzen schon früh in der Schule ein. Der Berufseinstieg gelingt zunehmend nur noch über befristete Verträge oder Praktika, was die Angst vor dem sozialen Abstieg umso größer werden lässt.

Die Belohnung bleibt aus

"Die Hoffnung, dass die Kinder es mal besser haben werden als die Eltern, gibt es heute nicht mehr", so der Soziologe Michael Hartmann. Allenfalls hofften Eltern noch, dass ihre Kinder den eigenen Lebensstandard halten können. Paradox dabei: Die heutige Jugend hat eigentlich viel mehr Möglichkeiten und weiß diese auch zu nutzen. "Wir tätigen große Investitionen in die jungen Leute, die ihrerseits alles aus sich herausholen wollen", so Wolfgang Gaiser vom Deutschen Jugendinstitut. "Sie gehen ins Ausland und lernen Sprachen, machen Praktika." Aber sobald die gut ausgebildeten Leute auf den Arbeitsmarkt kämen, warteten wenn überhaupt nur befristete Stellen. "Die Belohnung bleibt aus."

Die vielen Möglichkeiten müssen aber nicht immer von Vorteil sein, findet Markus Etscheid-Stams vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Er stellt daher die Frage: "Ist Pluralität Last oder Lust?" Denn für viele Jugendliche sei es sehr anstrengend und schwierig, sich immer entscheiden zu müssen. Sie seien schlichtweg überfordert.

Punktuelles Engagement

"Ist Engagement bei diesen verschärften Bedingungen für Jugendliche überhaupt noch möglich?" fragte Franziska Drohsel. "Und wie kann man es fördern?"

Für Michael Hartmann sind es nicht nur die schlechteren Bedingungen, die einem Engagement entgegenstehen: "Die Jugend heute ist realistischer und ohne Illusionen, gleichzeitig ist sie individualistischer und konkurrenzorientierter geworden." Trotz alledem gebe es noch Engagement, wie der Bildungsstreik gezeigt habe. An diesen Versuchen müsse man anknüpfen.

Grundsätzlich würden der verbandlich-organisierten Jugendarbeit Vorbehalte entgegengebracht, sagte Wolfgang Gaiser. "Die Jugendlichen suchen schon nach Gestaltungsmöglichkeiten, wollen sich aber nicht fest an einen Verband binden." Ähnlich sieht es Markus Etscheid-Stams und empfiehlt auch den Jusos Anknüpfungspunkte zu schaffen, damit Leute sich auch punktuell einbringen können.

In die Offensive gehen!

Einigkeit herrschte zwischen Podium und Publikum, dass jugendliches Engagement grundsätzlich nur über positive Perspektiven gefördert werden kann. "Man muss mehr anbieten als nur pessimistische Verfallsdiagnosen" bemerkte ein Teilnehmer. Es sei wichtig, die Themen einfach zu halten, so Etscheid-Stams. "Dahinter braucht es aber immer eine erkennbare Vorstellung davon, wo man hin will." Dieses gemeinsame Ziel zu finden, sei die Herausforderung.

Raus aus den defensiven Verteidigungspositionen, rein in die Offensive, empfahl Hartmann den Jungsozialisten. Er warnte davor, immer nur das Bestehende zu verteidigen. Stattdessen müssen man fragen: "Wo gibt es auch unter schlechten Bedingungen etwas, was man gestalten kann?" Als Beispiel nannte er die HartzIV-Debatte. Es sei zwar richtig, HartzIV-Empfänger gegen Kürzungen und die Angriffe von Westerwelle und Co zu verteidigen. Gleichzeitig müsse man aber auch offensiv fragen: "Was ist mit dem Geld der Reichen? Kann man bei denen was holen?" Der Soziologe ist sich jedenfalls sicher: "Nur wenn solche Fragen gestellt werden, ergeben sich neue Möglichkeiten zur Lösung."

Der Juso Kongress "Links 2010 - Veränderung durch Bewegung" findet vom 19. bis zum 21. März in Berlin-Neukölln statt. Mehr Infos unter www.links2010.de.

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