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Johannes Arlt: Von der Bundeswehr in den Bundestag

Mehr als 18 Jahre war Johannes Arlt Bundeswehr-Soldat. Nun sitzt er für die SPD im Bundestag und vertritt dort den flächenmäßig größten deutschen Wahlkreis. Ein Besuch in Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern
von Kai Doering · 3. November 2021
Als Aktiver Soldat „vorläufig abgemeldet“: Johannes Arlt ist neuer Bundestagsabgeordneter der SPD aus Mecklenburg-Vorpommern.
Als Aktiver Soldat „vorläufig abgemeldet“: Johannes Arlt ist neuer Bundestagsabgeordneter der SPD aus Mecklenburg-Vorpommern.

Es dauert nicht lange bis eine Frau zum ersten Mal die Frage stellt. „Was machen Sie denn hier? Der Wahlkampf ist doch vorbei.“ Johannes Arlt lächelt. „Wir sind trotzdem da“, antwortet er. Am 26. September ist der 37-Jährige für die SPD in den Bundestag gewählt worden. Anfang November steht er in der Fußgängerzone von Güstrow – 40 Kilometer südlich von Rostock – und verteilt Flyer sowie das eine oder andere Feuerzeug mit SPD-Schriftzug.

„Sichtbarkeit ist wichtig“, erklärt Arlt die Aktion. Schon wenige Tage nach der Wahl habe er wieder am Infostand gestanden. „Das überrascht die Leute, denn viele haben das Bild, dass Politiker immer nur kurz vor der Wahl auftauchen.“ In Güstrow kommt der Abgeordnete damit an. Viele Passant*innen grüßen freundlich. Manch eine*r fragt, wie denn die ersten Tage in Berlin gewesen seien. „Aufregend“, sagt Arlt. Einer Frau im Rollstuhl stellt er sich mit dem Satz „Ich bin der Neue“ vor. Einem Mann drückt er einen Flyer mit seiner Handy-Nummer in die Hand. „Melden Sie sich, wenn ich etwas tun kann“, sagt Arlt.

Ein Wahlkreis zweieinhalbmal so groß wie das Saarland

Neben ihm steht Philipp da Cunha. Der 34-Jährige wurde am 26. September zum zweiten Mal in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt. „Während des Wahlkampfs haben wir hier auch jeden Dienstag und Donnerstag gestanden“, erzählt er. Da Cunha hat sein Wahlkreisbüro in Güstrow. Gemeinsam sind die beiden Abgeordneten nun auf der Suche nach neuen Räumen. Für Johannes Arlt ist Güstrow aber nur ein Teil seines Wahlkreises, der zweieinhalbmal so groß ist wie das Saarland. Mit mehr als 6300 Quadratkilometern Fläche ist er der größte aller 299 Bundestagswahlkreise.

„Im Wahlkampf bin ich mehr als 20.000 Kilometer mit dem Auto gefahren“, erzählt Johannes Arlt. Der Autohändler, bei dem er den Wagen geleast hatte, habe hinterher große Augen gemacht. „Ich möchte Politik nahbarer machen und so viel wie möglich vor Ort sein“, ist trotzdem Arlts Anspruch, den er schon vor der Wahl formuliert hatte und den er nun als direkt gewählter Abgeordneter in die Tat umsetzen will.

Zwei Busse als mobile Wahlkreisbüros

Im Wahlkampf hatte er bereits an verschiedenen Orten Büros an Co-Working-Plätzen eingerichtet. Das will er nun als Abgeordneter fortführen. „Außerdem werden wir mit zwei Bussen als mobilen Wahlkreisbüros unterwegs sein“, kündigt Johannes Arlt an. Eine Art Testlauf soll es noch in diesem Jahr geben: Dann will Arlt mit einem Bus und einem „Pop-up-Weihnachtsmarkt“ von Dorf zu Dorf ziehen. Sein Wahlkreis besteht aus 184 Städten und Gemeinden mit etwa 700 Dörfern, in vielen wohnen gerade mal ein paar hundert Menschen.

Und das bringt ganz eigene Probleme mit sich – Probleme, die Johannes Arlt anpacken will. „Wir brauchen eine Mobilitätsgarantie“, erklärt er wenig später als er zum Antrittsbesuch im Büro von Arne Schuldt sitzt. Der ist seit 18 Jahren parteiloser Bürgermeister von Güstrow und erklärt Johannes Arlt wie die 30.000-Einwohner*innen-Stadt mit einer alternden Bevölkerung und der zunehmenden Bürokratie umgeht. Arlts Vision für den Stadtverkehr sind Busse, die die Menschen je nach Bedarf und auf Bestellung abholen. „Mit Künstlicher Intelligenz ist  vieles möglich“, ist er überzeugt.

Als aktiver Soldat „vorläufig abgemeldet“

Immer wieder kommt Johannes Arlt auf Skandinavien zu sprechen. Sein Mann ist Däne. Zuletzt haben beide zwei Jahre in Stockholm gelebt. „Da habe ich Digitalisierung auf der Höhe der Zeit erlebt“, erzählt er. „Ich hoffe, dass wir von unseren Nachbarn lernen können.“ Breitbandausbau, Elektromobilität, Wasserstoff – die großen Themen, die zurzeit in den Koalitionsverhandlungen in Berlin besprochen werden, haben hier in Mecklenburg-Vorpommern direkte Auswirkungen auf das Leben der Menschen. „Für vieles gibt es smarte Lösungen“, ist Johannes Arlt überzeugt. Die würde er künftig gern im Verkehrsausschuss des Bundestags umsetzen. „Da kann ich für unsere Region einiges bewegen“, ist er sicher.

Ginge es nach dem, was Johannes Arlt bisher gemacht hat, wäre er allerdings wahrscheinlich im Verteidigungsausschuss noch besser aufgehoben. 2003 begann er seinen Wehrdienst und wenig später eine Ausbildung als Offizier. Er studierte an der Universität der Bundeswehr in München. 2012 wurde Arlt zum Berufssoldaten ernannt. Sieben Auslandseinsätze liegen hinter ihm. Auch für die Steuerung von Drohnen wurde Arlt ausgebildet und hat knapp 1000 Flugstunden im Einsatz gesammelt. Daran, dass er nun Major a.D. ist, daran muss er sich erst noch gewöhnen. Auf Facebook meldete er sich Ende Oktober mit einem Foto aus einer Zeit beim Wachbataillon des Verteidigungsministeriums „vorläufig als aktiver Soldat ab“.

„Ich besitze weniger zivile Kleidung als ich für meine neue Tätigkeit brauche“, erzählte Johannes Arlt kürzlich dem „Nordkurier“. „Also stocke ich jetzt meine Garderobe auf.“ Im Büro von Arne Schuldt sitzt er in Hemd und Strickjpullover. „Schicken Sie mir gerne eine WhatsApp-Nachricht, wenn Sie kurzfristig etwas besprechen wollen“, bietet er dem Bürgermeister zum Abschied an. Der blickt etwas belustigt. „Das habe ich nicht“, antwortet er. „Schreiben Sie mir lieber eine E-Mail.“

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