Parteileben

Jessica Rosenthal: Mit Rucksack aus Bonn zurück in den Bundestag

Im Bundestag ist parlamentarische Sommerpause. Zeit für die Abgeordneten, sich weiterzubilden oder mit Bürger*innen in ihrem Wahlkreis ins Gespräch zu kommen. So wie bei Jessica Rosenthal, die mit ihrem roten Rucksack in Bonn unterwegs ist.
von Jonas Jordan · 22. Juli 2022
Jessica Rosenthal im Interview.
Jessica Rosenthal im Interview.

„Können Sie mir mal sagen, was Sie hier machen? Es ist doch gar keine Wahl, oder?“, will eine Frau von den Menschen am SPD-Stand wissen. „Genau darum geht es!“, ist ihre Antwort. Präsent sein, auch wenn keine Wahl ansteht, sondern nur parlamentarische Sommerpause. Und weil das der Fall ist, ist Jessica Rosenthal gerade auch nicht in Berlin, sondern hat zum Bürgerdialog auf den Frankenbadplatz im Herzen der Bonner Altstadt eingeladen. Es gibt kühle Getränke, Sitzgelegenheiten und die Möglichkeit für ein Gespräch mit der SPD-Bundestagsabgeordneten.

Mangold im Tausch gegen eine Limonade

Und die nutzen die Bonner*innen. Kaum ist Rosenthal eingetroffen, kommt ein Mann und schenkt ihr frisches Gemüse. Mangold aus dem eigenen Garten. Er vermietet Gartenparzellen in Bonn, auf denen Menschen im Sommer ihr eigenes Gemüse anbauen können. Nach einem zehnminütigen Gespräch schenkt Rosenthal ihm noch eine Limonade und wendet sich dann zwei älteren Frauen zu. Sie wohnen eine Straße weiter in einem Mehrgenerationenhaus in der Altstadt, das schon seit 2008 existiert. „Bei uns im Haus wohnt auch eine 91-Jährige. Ohne die Gemeinschaft könnte sie nicht mehr alleine leben“, berichten sie. „Das haben wir an viel zu wenigen Stellen in Bonn. Kann ich mal vorbeikommen?“, fragt die Abgeordnete. – „Unbedingt!“, antworten die beiden Frauen.

Ein anderer Mann wartet geduldig an einem Stehtisch auf ein Gespräch mit der SPD-Politikerin. Er wohnt und arbeitet seit Jahrzehnten in Deutschland. Jetzt möchte er eingebürgert werden, was sich schwierig gestaltet. Rosenthal verspricht zu helfen. Der Mann bedankt sich und sagt zum Abschied: „Wenn Sie das schaffen, haben Sie eine Menge neuer Wähler gewonnen.“ Inzwischen haben sich etwa 15 Personen um den Stand versammelt, vor dem ein Schild mit der Aufschrift wirbt: „Unterwegs im Veedel – Kommen Sie mit mir ins Gespräch!“

Kaum eine Atempause seit der Wahl

Der Bürgerdialog am Freitagnachmittag markiert ungefähr die Halbzeit von Rosenthals Sommertour quer durch die Bundesstadt. Alles, was die Bonner*innen ihr bei der Gelegenheit mit auf den Weg geben, packt sie in einen roten Rucksack und nimmt diesen mit nach Berlin in den Bundestag. Mit diesem Konzept war schon ihr Vorgänger Uli Kelber erfolgreich, der von 2000 bis 2019 im Bundestag saß.

Die Kommunikation funktioniert aber auch umgekehrt. Im Gespräch mit dem „vorwärts“ berichtet die Abgeordnete von einem Termin mit jungen Geflüchteten: „Dank Reem und dank Nancy Faeser konnte ich ihnen sagen: Wir bekommen endlich ein Chancenaufenthaltsgesetz. Ihr könnt eine Ausbildung machen. Wir brauchen euch und wir möchten dieses Land zu einem echten Einwanderungsland machen. Dafür habe ich im Wahlkampf noch gekämpft.“

Die ersten Monate nach der Bundestagswahl waren für Rosenthal turbulent. Während der Koalitionsverhandlungen war sie gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil, Alexander Schweitzer, Arbeitsminister in Rheinland-Pfalz, und der jetzigen DGB-Chefin Yasmin Fahimi Teil der SPD-Sondierungsteams zum Thema Arbeit. Kurz darauf wurde sie in Frankfurt als Juso-Bundesvorsitzende wiedergewählt. Und als sich langsam so etwas wie Routine in die immer noch neue Bundestagsarbeit einstellte, folgte der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der für alle eine große Zäsur gewesen sei. „Die europäische Friedensordnung ist pulverisiert worden“, sagt Rosenthal. Die Themen im Bundestag änderten sich und mit ihnen auch das Vokabular.

Vokabeln büffeln im Bundestag

Auch um dem zu begegnen, hat die Lehrerin in der vorletzten Woche im Bundestag noch einmal die Schulbank gedrückt und einen Englisch-Kurs besucht. „Ich habe sehr viele Termine, bei denen nur Englisch gesprochen wird, sowohl als Juso-Vorsitzende als auch als Bundestagsabgeordnete. Zum Beispiel wenn ich mit einer ukrainischen Delegation über Waffensysteme spreche. Deswegen finde ich es wichtig, mich fortzubilden“, berichtet sie. Irgendwann will sie auf jeden Fall noch mal einen Sprachkurs machen.

Doch erst einmal läuft ihre Rote-Rucksack-Tour noch circa eine Woche weiter. Danach hat auch eine Bundestagsabgeordnete mal zwei Wochen Urlaub verdient, zumal Rosenthal vor kurzem geheiratet hat und die Flitterwochen noch ausstehen. Ab September geht es dann in Berlin wieder los, in doppelter Funktion als Bundestagsabgeordnete und Juso-Bundesvorsitzende. Das sei zwar an vielen Stellen herausfordernd, aber auch sehr vorteilhaft, wie sie ausführt: „Ich kenne alle Debatten im Bundestag und kann davon berichten. Gleichzeitig kann ich in der Fraktion immer dafür sorgen, dass die Position der Jusos auch deutlich wird.“ 

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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