Jessica Rosenthal mit 78 Prozent zur neuen Juso-Chefin gewählt
Es war ein „Bundeskongress der etwas anderen Art“, wie die neue Juso-Chefin Jessica Rosenthal es formulierte, den die Jungsozialist*innen in der SPD veranstalteten. Er begann bereits im November 2020, wurde Corona-bedingt unterbrochen und am Freitag fortgesetzt mit den Wahlen der Spitze.
Wegen Corona kein Präsenz-Kongress
Wegen der Corona-Pandemie fand der Kongress nicht als Präsenzveranstaltung, sondern digital statt. Die Wahlen erfolgten per Briefwahl. Dabei entfielen auf die einzige Kandidatin für den Vorsitz, Jessica Rosenthal, 207 Ja-Stimmen, 51 Nein-Stimmen und 8 Enthaltungen. Das bedeutet eine Zustimmung von genau 77,82 Prozent.
„Ich danke euch unglaublich für euer Vertrauen.“ Mit diesen Worten nahm die neue Juso-Chefin ihre Wahl an. Dies sei „eine krasse Ehre“. Die Stärke der Jusos sei eine Teamleistung. Dies sei besonders ihrem Vorgänger Kevin Kühnert zu verdanken, der hier Beispielhaftes geleistet habe. Dass die Jusos „der entscheidende Jugendverband dieses Landes“ seien, habe man auch ihm zu danken. Auch weiterhin werde man „der Jugend eine laute und hörbare Stimmung geben“.
Jessica Rosenthal: „Kein Fußbreit den Faschisten“
Kurz nach der Erstürmung des Kapitols in Washington durch Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump betonte Jessica Rosenthal die Bedeutung des Kampfes gegen Rechts. Rechtsextreme Ausschreitungen gebe es nicht nur in den USA, wie man am versuchten Eindringen von rechten Corona-Leugnern ins Reichstagsgebäude vor kurzem gesehen habe. Deshalb müsse man „vor die eigene Haustür“ blicken und „nicht selbstgerecht von amerikanischen Verhältnissen“ sprechen. Rosenthal zeigte sich in ihrem Schlusswort im Berliner Willy-Brandt-Haus, das live übertragen wurde, kämpferisch. „Kein Fußbreit den Faschisten“ rief sie, man werde „keinen Millimeter zurückweichen“.
In diesem Zusammenhang kritisierte sie Union und FDP scharf. Die Union arbeite immer wieder auf kommunaler Ebene mit der AfD zusammen, mitunter auch auf Landesebene, wie man in Thüringen gesehen habe. Dass der FDP-Politiker Kemmerich, der sich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten Thüringens habe wählen lassen, heute immer noch Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP sei, belege, dass die Partei aus dem thüringischen „Tabubruch“ nichts gelernt habe. „Relativierung, Verharmlosung, fehlende Abgrenzung“ gegenüber der AfD, dafür stünden Union und FDP immer noch.
Kevin Kühnert kritisiert die CSU: „absolute Sauerei“
Die neue Juso-Chefin kündigte hier den entschiedenen Widerstand ihres Verbandes an. Jetzt sei „die Zeit, mutig zu sein“ und „die Zeit, Farbe zu bekennen“. Die Jungsozialist*innen würden eine „Stimme für ein offenes und vielfältiges Deutschland“ sein. Ihnen gehöre die Zukunft. Das zeigten auch die 80 Kandidaturen von Jusos für den nächsten Bundestag.
Einer dieser Kandidaten ist auch Rosenthals Vorgänger im Juso-Vorsitz, der stellvertretende SPD-Vorsitzende Kevin Kühnert. In einer „letzten Stellungnahme“ sprach er zur aktuellen Politik. Dabei übte er harte Kritik an der CSU, die einen Tag zuvor in Berlin eine Tagung ihrer Landesgruppe im Bundestag als Präsenzveranstaltung abgehalten hatte. Das habe ihn „reichlich irritiert und überrascht“, so Kühnert. „Ich möchte ganz offen sagen, ich finde das eine absolute Sauerei, in den Zeiten, in denen wir uns im Moment befinden“, also in einem harten Lockdown des ganzen Landes.
Es könne nicht sein, dass diejenigen, die als Teil der Bundesregierung den Menschen massive Einschränkungen auferlegten, „sich Sonderrechte rausnehmen und sich zu dutzenden in Tagungshallen versammeln“. Das sei „ein Schlag ins Gesicht“ für alle, die dringend darauf warteten, dass in ihrem Leben wieder Normalität einkehre und die mit Recht erwarteten, dass andere sich auch solidarisch verhielten. „Liebe CSU-Bundestagsgruppe, das ist einer konservativen Partei, die Bürgerlichkeit und Anstand wie eine Monstranz vor sich her trägt, einfach nicht angemessen.“ Die CSU solle sich ein Beispiel am digitalen Bundeskongress der Jusos nehmen oder an der digitalen Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion.
Fragen zur Corona-Impfstrategie müssen beantwortet werden
Deutliche Kritik übte Kühnert auch an der Impfstrategie von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die drängenden und berechtigten Fragen der SPD-regierten Bundesländer nach ausreichenden Produktionskapazitäten für Impfstoffe dürften nicht einfach „beiseite geschoben“ werden. So müsse beantwortet werden, warum die EU mit nur drei Milliarden Euro im Budget „auf Einkaufstour gegangen“ sei, um Impfstoffe zu erwerben.
Corona sei ein klassischer „whatever-it-takes“-Moment gewesen, in dem man „alle Kräfte“ hätte mobilisieren müssen. Es sei kein Moment, an dem es „kleinkrämerisch“ ums Sparen gehen dürfe. „Das wird politisch weiter aufzuarbeiten sein“, so Kühnert. „Die Menschen verdienen Antworten darauf, ob zum richtigen Zeitpunkt alles in der Macht der Politik stehende dafür getan wurde, die notwendigen Mittel zu beschaffen. Deswegen werden wir uns diese Diskussion auch nicht verbieten lassen.“
Wieviel ist das Gemeinwohl wert?
Es gehe ihm nicht um Schlaumeierei, so etwas verbiete sich in der Krise, und selbstverständlich auch nicht um irgendeine Form eines „Impfstoff-Nationalismus“. Aber, gab Kühnert zu bedenken: „Hier wird ein Strukturmerkmal deutlich“, mit dem die Jusos sich seit Jahren beschäftigten. Es gehe letztlich um die Frage, wie mit dem Gemeinwohl und der Daseinsvorsorge umgangen werde und welche finanziellen Mittel dafür bereit gestellt würden.