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Jessica Rosenthal: Eine kämpferische Rheinländerin

Seit Freitag steht fest: Jessica Rosenthal ist neue Bundesvorsitzende der Jusos. Die 28-Jährige erhielt eine deutliche Zustimmung von 78 Prozent. Sie hat sich viel vorgenommen.
von Jonas Jordan · 11. Januar 2021
Die Bonnerin Jessica Rosenthal ist neue Bundesvorsitzende der Jusos.
Die Bonnerin Jessica Rosenthal ist neue Bundesvorsitzende der Jusos.

Nein, viel Zeit zum Durchatmen hatte Jessica Rosenthal am Wochenende nicht. „Es waren echt turbulente Tage“, so die neue Juso-Bundesvorsitzende am Sonntag auf ihrem Instagram-Kanal. Seit Freitag ist die 28-Jährige neue Bundesvorsitzende der Jusos. Sie löst Kevin Kühnert ab, der den Verband seit Ende 2017 geführt hatte. In einer Briefabstimmung erhielt Rosenthal eine deutliche Zustimmung von fast 78 Prozent – zwei Prozentpunkte mehr übrigens als Kühnert bei seiner Wahl auf dem Bundeskongress in Saarbrücken 2017. Dessen Nachfolgerin hatten diesmal auch die Jusos Baden-Württemberg und die Hamburger Jungsozialist*innen öffentlich im Vorfeld ihre Unterstützung zugesichert

Bei letzteren war Rosenthal schon am Sonntagmorgen ab 11 Uhr bei der Online-Landesdelegiertenkonferenz digital zu Gast. Danach folgten für sie Gespräche mit der Juso-Bundesgeschäftsführerin Julie Rothe und dem Führungsduo der Falken Alma Kleen und Jana Herrmann. Am Montag ging es zurück nach Bonn, wo sie ab Dienstag wieder in ihrem Job als Realschullehrerin gefordert ist. Bonn und Berlin, Beruf und Ehrenamt – ein zeitaufwändiger Spagat, den Rosenthal in den kommenden neun Monaten zu bewältigen hat. Wie praktisch also, dass die Deutsche Bahn just zum neuen Jahr ihr Angebot an Direktverbindungen zwischen alter und neuer Hauptstadt deutlich ausgebaut hat und Rosenthal zudem nach Schulschluss mit der Straßenbahn in einer knappen Viertelstunde den Bonner Hauptbahnhof erreichen kann.

In Wartestellung für den Bundestag

Ein Umstand, der ganz im Sinne der neuen Juso-Vorsitzenden sein dürfte, auf die im Superwahljahr 2021 eine ganze Reihe von Terminen warten werden. Da passt die ereignisreiche erste Januarwoche gut ins Bild. Rosenthal dürfte andererseits auch froh darüber sein. Denn der Dezember war für sie coronabedingt in erster Linie durch warten geprägt. Da war zum einen der laut Rosenthal „längste-Bundeskongress, den wir als Jusos je erlebt haben“. Er begann im November mit der Vorstellung ihrer Kandidatur und dem ersten Aufeinandertreffen mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Was folgte, war eine rund einmonatige Briefwahlphase, in der die Delegierten ihr Votum über die neue Vorsitzende abgeben durften, ehe der Bundeskongress am Freitag schließlich fortgesetzt wurde, um das Ergebnis zu verkünden.

Zum anderen wollte sich Rosenthal am 5. Dezember als Bundestagskandidatin der Bonner SPD küren lassen – so zumindest der ursprüngliche Plan. Doch das Interesse der Mitglieder war zu groß, um die Versammlung coronakonform in der vorgesehenen Veranstaltungshalle im Stadtteil Beuel abhalten zu können. Sie musste verschoben werden, einen neuen Termin gibt es noch nicht. Zuletzt hatte Uli Kelber in der Bundesstadt fünfmal hintereinander das Direktmandat für die SPD gewonnen. Nachdem er im Januar 2019 sein Amt als Bundesdatenschutzbeauftragter antrat, werden die Karten bei der kommenden Wahl im September komplett neu gemischt. Denn auch die bisherige Abgeordnete der Grünen Katja Dörner wird nicht wieder kandidieren. Sie ist seit 1. November Oberbürgermeisterin der Bundesstadt. Auch weil sich die Bonner SPD mit Rosenthal an der Spitze vor der Stichwahl klar für die Kandidatin der Grünen positioniert hatte.

Seit 2012 heimisch in Bonn

Seit März vergangenen Jahres ist Jessica Rosenthal Vorsitzende des Bonner SPD-Unterbezirkes. Ursprünglich wuchs Rosenthal im beschaulichen Bad Münder in Niedersachsen auf. Zum Studium zog es sie 2012 nach Bonn, wo sie Deutsch und Geschichte auf Lehramt studierte. „Ich bin auf jeden Fall Rheinländerin“, sagt sie inzwischen. Mit 18 Jahren zog sie nach Bonn und schätzt an ihrer Stadt die Mischung aus rheinischer Gemütlichkeit und internationalem Flair. Nach einem Jahr in der Stadt trat sie 2013 der SPD bei. 2014 wurde sie Geschäftsführerin der Bonner Jusos, ein Jahr später deren Vorsitzende. Von 2018 bis 2020 führte Rosenthal den mächtigen Juso-Landesverband in Nordrhein-Westfalen, nun ist sie Vorsitzende des Bundesverbandes mit rund 80.000 Mitgliedern.

Für diese Aufgabe hat sie sich viel vorgenommen. „Es wird darum gehen, die SPD weiterzuentwickeln und den Weg weiterzugehen, den wir eingeschlagen haben. Es wird darum gehen, die SPD wieder so aufzustellen, dass sie für junge Menschen wählbar ist und natürlich Debatten hörbar weiterzuführen, beispielsweise mit Blick auf ein alternatives Wirtschaftssystem oder die Bekämpfung der eklatanten Ungleichheit“, sagte Rosenthal im Vorfeld ihrer Kandidatur im Interview mit dem „vorwärts“. Sie selbst will eine starke Stimme für ihren Verband sein, als eine von circa 80 Jusos, die sich derzeit um eine Bundestagskandidatur bewerben. Sie gibt sich kämpferisch und verspricht: „Junge Menschen haben eine Sozialdemokratie verdient, die sich mutig an die Spitze der Debatten stellt und auch Gegenwind standhält.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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