Parteileben

Jakob-Maria Mierscheid: „Martin Schulz hat meine Unterstützung gar nicht nötig.“

Eigentlich spricht Jakob-Maria Mierscheid nicht mit der Presse. Doch wenn es um Martin Schulz geht, macht der legendäre SPD-Hinterbänkler eine Ausnahme. Ein Interview über seine eigenen Kanzler-Ambitionen, Wahlkampf per Brieftaube und was das alles mit der Rohstahlproduktion zu tun hat
von Kai Doering · 2. Februar 2017

Nachdem in der vergangenen Woche über den „Stern“ bekannt geworden war, dass Sigmar Gabriel nicht als Kanzlerkandidat der SPD antritt, haben Sie getwittert, der Weg sei jetzt frei für Ihre Kandidatur. Warum sind Sie es nicht geworden?

Meine Kanzlerkandidatur steht so fest wie die SPD in allen Zeiten. Nur hatte ich mich ja bis zuletzt nicht festgelegt, zu welcher Bundestagswahl ich Kanzlerkandidat antreten werden. Jetzt ist es auf jeden Fall richtig, noch etwas zu warten. Sie wissen ja, als Hinterbänkler übt man sich ja in ständiger Demut.

Sie sind also nicht enttäuscht, dass nun Martin Schulz die SPD in den Wahlkampf führt?

Ich bin also gar nicht enttäuscht. Im Gegenteil: Sie kennen ja das Mierscheid-Gesetz. Die Rohstahl-Produktion lag im vergangenen Jahr in Deutschland bei 42,1 Mio. Tonnen. Wenn sich dies fortsetzt, sind das ja ganz phantastische Aussichten für das Wahljahr 2017. Stellen Sie sich vor: Mehr als 40 Prozent wäre ein phantastisches Wahlergebnis wie zu Willys Zeiten.

Martin Schulz versetzt zurzeit die SPD in Euphorie. Haben Sie so etwas während Ihrer aktiven Zeit als Politiker schon einmal erlebt?

Ich meine, Martin Schulz kommt ja aus Würselen. Sehen sie den Zusammenhang? Das liegt so sehr auf der Hand. Seit Jahrhunderten war der Ort vom Steinkohle-Abbau geprägt, die ja vor allem zur Stahlproduktion benötigt wird. Der Mann steht ja damit auch ganz logisch für das Ansteigen der Umfragewerte der SPD, sieht man sich die derzeitige Stahlproduktion an. Ich bin ja seit 1979 im Bundestag. Da habe ich den Niedergang von Helmut Schmidt als Kanzler erlebt mit dem Nato-Doppelbeschluss. Wissen sie, das war keine gute Zeit für die SPD. Dann kam 1998 Gerhard Schröder ins Amt, da gelang uns der Sieg, weil wir den Dicken aus dem Amt jagen wollten. Jetzt habe ich den Eindruck, die SPD schafft es erstmals wieder aus eigener Kraft den Kanzler zu stellen. Und natürlich wegen der Stahlproduktion.

Innerhalb kürzester sind tausende Menschen SPD-Mitglied geworden. Würden Sie heute wegen Martin Schulz eintreten, wenn Sie nicht schon längst Mitglied wären?

Na, solch rhetorische Fragen sind ja doch etwas unsinnig. Können Sie sich derzeit vorstellen, dass jemand nicht bei uns dabei sein will? Der Partei, die den nächsten Kanzler stellt. Die Europa und dem demokratischen Sozialismus endlich zu neuer Stärke verhelfen wird. Die als einzige Partei wirklich wählbar ist, weil sie ihre Grundwerte wiederbelebt. Ich jedenfalls habe jüngst so ein modernes Krautfunding-Dingens gestartet, um im Wahlkampf meines Wahlkreises auch die jungen Menschen miteinzubinden.

Ihr Platz im nächsten Bundestag ist Ihnen ja bereits sicher. Werden Sie Martin Schulz trotzdem im Wahlkampf unterstützen?

Ach, wissen sie. Der Martin hat meine Unterstützung ja eigentlich gar nicht nötig. Aber wir haben uns neulich zum Tee getroffen. Da habe ich ihm angeboten, meine Brieftauben für seinen Wahlkampf einzusetzen. Die könnten beispielsweise nach Washington fliegen. Aber ich will jetzt nicht ausbreiten, mit welcher Aufgabe ich die Tauben da auf den Weg schicken würde.

node:vw-infobox

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare