Im Osten viel Neues: So lief die #unsereSPD-Tour in Erfurt
photothek.de/ Paul-Phillipp Brau
„Zuhören und machen“ steht groß an der Wand im Parksaal des Erfurter Steigerwaldstadions in Erfurt. Es ist ein Wahlkampfslogan der Thüringer SPD, doch er passt auch gut zur #unsereSPD-Tour, die am Mittwochabend in Erfurt Station macht. Es ist die siebte von insgesamt 23 Veranstaltungen, bei denen sich die Kandidierenden für den SPD-Vorsitz der Parteibasis vorstellen – und es ist eine besondere.
Thüringer SPD eröffnet heiße Wahlkampfphase
Nicht nur, dass eine der Kandidatinnen an diesem Tag ihren Geburtstag feiert – Nina Scheer wird 48 Jahre alt – es ist auch, nach Bernburg an der Saale am Samstag, die zweite Veranstaltung in Ostdeutschland und dann noch in Thüringen, wo am 27. Oktober ein neuer Landtag gewählt wird. Als erster spricht an diesem Abend deshalb Wolfgang Tiefensee, der Spitzenkandidat. „Wir wollen gestalten in einer rot-rot-grünen Koalition“, gibt er die Richtung vor und eröffnet damit die heiße Phase des Landtagswahlkampfs.
Dann sind die 14 Kandidierenden für den SPD-Vorsitz dran. In vorher ausgeloster Reihenfolge haben sie jeweils fünf Minuten Zeit, sich selbst und ihre Ziele vorzustellen. Auch hier spielen Thüringen und Ostdeutschland eine wichtige Rolle.
Parité-Gesetz, Grundrente, Lohngleichheit
Klara Geywitz etwa lobt, dass Thüringen „das zweite Bundesland mit einem Parité-Gesetz“ ist. Dieses soll sicherstellen, dass der Landtag jeweils zur Hälfte aus Frauen und aus Männer zusammengesetzt ist. Gleichzeitig kritisiert Geywitz, „dass in Ostdeutschland immer noch weniger Lohn als im Westen“ gezahlt werde. Ihr Co-Kandidat Olaf Scholz betont, wie wichtig es sei, dass „die SPD die Partei ist, die dafür sorgt, dass alle mit Respekt behandelt werden“.
Ihnen folgt das Team aus Nina Scheer und Karl Lauterbach. „Wir brauchen eine Grundrente, von der man leben kann und Lohngleichheit zwischen Ost und West“, fordert Lauterbach. Umweltpolitikerin Scheer hingegen betont: „Die schnelle Energiewende muss der Markenkern der SPD sein.“ Beides, da sind sich Scheer und Lauterbach einig, sei nur ohne die CDU zu erreichen. „Die SPD muss die große Koalition unverzüglich verlassen“, fordert Lauterbach.
Rot-Rot-Grün und Geschlechtergerechtigkeit
„Wir wollen raus aus der großen Koalition“, sagt auch Hilde Mattheis. Ihr Wunschbündnis lautet Rot-Rot-Grün, die Koalition also, die in etwas anderen Kräfteverhältnissen zurzeit in Thüringen regiert. „Der Osten Deutschlands war über Jahre hinweg ein Experimentierraum für neoliberale Unternehmer“, kritisiert Mattheis Partner Dierk Hirschel. Aufgabe der SPD müsse es daher sein, „die Spaltung des Arbeitsmarkts zwischen Ost und West“ zu überwinden.
Karl-Heinz Brunner, der einzige Einzelbewerber im Feld, betont dagegen die Aufgabe der SPD als „europäische Friedenspartei“. Brunner will Sicherheit in all ihren Facetten zum Markenkern der Sozialdemokraten machen – von der Polizei, über die Rente bis hin zu bezahlbarem Wohnen.
„Wir wollen die SPD zu einer mutigen und progressiven Kraft machen“, sagt Christina Kampmann als sie und Partner Michael Roth an der Reihe sind. „Die SPD muss die Partei der Geschlechtergerechtigkeit werden“, fordert Roth. Die Partei werde nur dann stärker, „wenn sie zur politischen Heimat der Frauen wird“.
Verteilungsgerechtigkeit und kommunale Investitionen
Soziale Sicherheit und Verteilungsgerechtigkeit stehen dagegen für Gesine Schwan und Ralf Stegner im Vordergrund. „Wir müssen wieder Vertrauen für die SPD gewinnen“, fordert Schwan und betont: „Wir beide sind verlässliche Sozialdemokraten.“ Um zu neuer Stärke zu finden, müsse sich die SPD „geistig erneuern“.
„Wir stehen für ein Jahrzehnt kommunaler Investitionen“, betont Saskia Esken als sie sich und ihren Co-Kandidaten Norbert Walter-Borjans vorstellt. Die Verteilungsfrage sei die entscheidende Zukunftsfrage ist Esken überzeugt. „Die große Koalition hat deshalb keine Zukunft.“ Walter-Borjans nimmt sich die Interessen von Lobbyisten vor und fordert: „Wir dürfen nicht zulassen, dass wir uns die Klimapolitik von den Autounternehmen diktieren lassen.“
Weiter geht es in Nürnberg
Petra Köpping schließlich, die in Erfurt erstmal ohne Co-Kandidat Boris Pistorius auftritt, der zur selben Zeit an einer Landtagssitzung in Niedersachsen teilnehmen muss, betont die kommunale Herkunft der beiden Politiker. „Wir wollen Politik anders denken – von der Kommunalpolitik aus“, sagt sie. Und: „Wir wollen Macher und Brückenbauer sein“ – zwischen Ost und West, aber auch zwischen Bundes-, Landes- und eben Kommunalpolitik.
In der anschließenden Fragerunde, in der jedes Team jeweils eine Minute Zeit für eine Antwort hat, können die Kandidierenden dann noch weitere Akzente setzen. Hilde Mattheis etwa betont: „Wir wollen Hartz IV abschaffen.“ Olaf Scholz fordert einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde, Michael Roth „echte Solidarität in der Krankenversicherung“ und Nina Scheer ein Belohnungssystem für den, der sich „gemeinwohlfördernd verhält“.
Nach exakt zweieinhalb Stunden – eine gute Stunde davon unter Einbeziehung des Publikums – ist in Erfurt Schluss. Weiter geht es am Donnerstag in Nürnberg.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.