Am Sonntag wählen die Kieler ihren neuen Oberbürgermeister. Mit der Unterstützung von Grünen und SSW will der Sozialdemokrat Ulf Kämpfer neues Oberhaupt der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt werden. Über seinen ersten Wahlkampf seit Uni-Zeiten und warum er sich vorher nicht als Politiker empfunden hat, sprach der der 41-jährige mit vorwärts.de.
Vorwärts.de: Kiel gilt traditionell als rote Stadt. Was zeichnet für Sie die Stadt aus?
„Kiel ist eine raue und kantige Stadt mit einer Arbeiter- und Industrietradition und auch mit einer militärischen Tradition, wenn man etwa an den Matrosenaufstand denkt. Das ist hier passiert und gut gewendet worden: Kiel stand damals für einen Aufbruch zur Demokratie.
Jetzt ist Kiel eine Stadt, die stark im Wandel begriffen ist und es ist nicht ganz klar, ob wir die wirtschaftlichen Chancen nutzen, z.B. ob wir die klassische Industrie, die wir noch haben, verlieren. Andere Branchen in der maritimen Wirtschaft oder industrienahe Dienstleistungen haben viel Potenzial, das wir heben müssen. Es ist eine besondere Situation für Kiel und wir stellen in den nächsten Jahren wichtige Weichen.
Wo wollen Sie mit Kiel hin?
Auf meinen Wahlplakaten habe ich schlicht stehen: „Mehr Kiel“. Letztes Jahr hatten wir in dem ganzen Schlamassel, der zum Rücktritt der Oberbürgermeisterin führte, weniger Kiel. Da haben wir viel über Personen und Befindlichkeiten diskutiert und ich möchte, dass wir uns auf die Themen und die Stärken der Stadt besinnen. Das sind unsere tollen Hochschulen und regionalen Bildungszentren, die maritime Wirtschaft, die Lebensqualität und die Lage am Meer. Wir müssen Kiel nicht neu erfinden, sondern einfach das, was wir haben, noch stärker machen.
Im Wahlkampf haben sie viele Haustürgespräche geführt. Was sind die wichtigsten Themen der Kielerinnen und Kieler?
Das ist ganz unterschiedlich. Häufig interessieren sich die Leute für ihre Themen direkt vor der Haustür, im sprichwörtlichen Sinne. Also Straßenreinigung, Hundehaufen und so weiter.
Da hat so jeder sein Spezialthema. Das reicht vom Sperrmüll, Öl- und Stromkosten, die Beschäftigung mit Susanne Gaschke, bis hin zu bundespolitische Themen. Von Miete bis Edathy bei 4000 Gesprächen bekam ich da alles zu hören.
Die OB-Neuwahl war notwendig geworden, nachdem SPD-OB Susanne Gaschke wegen des Streits um ihre umstrittenen Eilentscheidung zurücktrat. Von einer SPD-Schlammschlacht sprachen daraufhin viele Medien. Sie sind von Beruf Mediator und Richter : Wie nehmen Sie die Folgen dieses Konflikts innerhalb der SPD wahr?
Ich habe das ganze von Außen betrachtet und als interessierter Bürger die ganze Auseinandersetzung damals verfolgt. Deswegen habe ich mir für den Wahlkampf da eine Art Schweigegelübde auferlegt: Ich war nicht Teil des Konflikts und will es auch nicht im Nachhinein werden. Ich finde zu dem Thema haben alle alles gesagt und da muss ich nicht auch noch meinen Senf dazu geben.
Wenn Sie von sich als interessiertem Bürger sprechen, passt das zu einem Zitat von Ihnen, wonach Sie sich bisher nie als Politiker empfunden haben. Hat sich das für Sie durch die Oberbürgermeister-Kandidatur geändert?
Ich bin seit fast zwanzig Jahren Sozialdemokrat und ich bin immer politisch gewesen. Aber ich bin in der Verwaltung als Staatssekretär in der zweiten Reihe gewesen und habe nie für mich als Person und als ganze Persönlichkeit einstehen müssen. Das ist jetzt vom Uni-Wahlkampf abgesehen das erste Mal, dass ich wirklich als Politiker, der Zustimmung und Ablehnung auf sich zieht, antrete.
Ich bin kein klassischer Parteipolitiker. Das meine ich nicht negativ abgrenzend, aber ich bin jemand, der jetzt erstmalig in diese klassische Rolle hinein schlüpft.
Haben Sie sich als Politiker neue Eigenschaften zugelegt?
Ich habe bestimmte Eigenschaften herausgekitzelt, die ich vorher nicht so zeigen musste und von denen ich auch nicht so genau wusste, wie stark ich sie habe. Es ist ein Unterschied, ob ich als Staatssekretär ein Grußwort halte, oder ob man einen Saal politisch einheizen muss.
Ich wusste nicht, ob ich der Typ bin, der an 4000 Haustüren klingelt und dann mit den Leuten ins Gespräch kommt. Ob mir so ein Wahlkampf mit all seinen Höhen und Tiefen und seiner Vielfalt liegt und ob ich das kann.
Ich hab festgestellt, dass macht großen Spaß und der Wahlkampf ist –wahrscheinlich auch deswegen- gut gelaufen.