Hochspannung in Berlin: SPD entscheidet Verfahren für Vorsitzendenwahl
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Im politischen Berlin blicken an diesem Montag alle Augen auf das Willy-Brandt-Haus: Die Führungsgremien der Partei entscheiden hier über das Verfahren zur Wahl der künftigen SPD-Spitze. Um 9 Uhr trat das Präsidium zusammen, um 12 Uhr der Parteivorstand. Am Nachmittag wollen die drei kommissarischen Vorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel über die Ergebnisse informieren.
440.000 Mitglieder sollen entscheiden
In Präsidium und Vorstand geht es vor allem um zwei Fragen. Erstens: Soll die SPD künftig von einer Doppelspitze geführt werden oder bleibt es bei einem Vorsitzenden bzw. einer Vorsitzenden? Zweitens: Wer soll über die Personalauswahl entscheiden? Die rund 440.000 Mitglieder der SPD oder auch Nicht-Mitglieder?
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellt vor der Präsidumssitzung klar, die SPD-Parteiführung werde am Montag keinen konkreten Personalvorschlag zum Parteivorsitz machen. Ein entsprechender Medienbericht sei unzutreffend. Der Generalsekretär erwartet, dass sich die SPD zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte für ein Führungsduo an der Parteispitze entscheiden wird.
Klingbeil gegen Beteiligung von Nicht-Mitgliedern
Eine Beteiligung auch von Nicht-Mitgliedern an der Wahl der Parteivorsitzes sieht Klingbeil skeptisch. Er könne sich dies vorstellen bei einem öffentlichen Amt wie bei der Kanzlerkandidatur. Der Parteivorsitz solle dagegen von den Parteimitgliedern entschieden werden. Klingbeil empfiehlt, dass mögliche Kandidaten für den Parteivorsitz bereits als Doppelspitze in die Bewerbung um die Parteiführung gehen. Es sollten sich im Vorfeld schon Personen finden, die als Teams antreten, damit eine Doppelspitze am Ende nicht zusammengewürfelt werde.
Unmittelbar vor der Sitzung des Parteivorstandes am Mittag sieht NRW-Landesparteichef Sebastian Hartmann „eine klare Tendenz“ für eine Doppelspitze. Das zeigten die bisherigen Ergebnisse der Mitgliederbefragung und die müsse man Ernst nehmen. „Ich finde es gut, dass der Parteivorstand sich ausreichend Zeit nimmt, die Vorschläge der Bezirke und der Mitglieder zu werten“, so Hartmann. „Wichtig ist, dass es jetzt ein Fest der innerparteilichen Demokratie wird, dass die Mitglieder endlich eng einbezogen werden.“ Für den Chef der NRW-SPD geht es auf der Sitzung des Parteivorstandes aber nicht nur um Personalfragen: „Es geht darum, dass wir am Profil der SPD arbeiten und nicht nur an einer Personalauswahl.“
Die saarländische SPD-Chefin und stellvertretende Ministerpräsidentin des Saarlandes Anke Rehlinger zeigt sich für den Vorschlag einer Doppelspitze „grundsätzlich offen“. Es hänge insgesamt aber auch von der „Stimmigkeit“ des Verfahrens ab, dass satzungsgemäß sein müsse. Wichtig ist ihr ,„zügige Personalentscheidungen“ zu ermöglichen. „Ein extrem langer Prozess der Selbstbeschäftigung ist nichts, was wir uns leisten sollten.“ Rehlinger bevorzugt einen früheren Termin für den nächsten Bundesparteitag, der zur Zeit für den Dezember 2019 geplant ist.
Müller: Verantwortung auf mehrere Schultern
Dass mit einer Doppelspitze „die Verantwortung auch auf mehrere Schultern gestellt wird – das betrifft nicht nur die Bundesspitze, sondern geht runter bis zu den Ortsvereinen“ begrüßt Michael Müller, der SPD-Chef in Berlin und Regierende Bürgermeister. Das solle kein Muss, aber zumindest eine Möglichkeit sein, dort wo es gewünscht sei und wo man ein gutes Team bilden könne. „Auf allen Ebenen der Partei.“
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius zeigt sich dagegen skeptisch gegenüber einer Doppelspitze: „Nicht weil ich etwas gegen eine Doppelspitze habe, sondern weil ich glaube, dass es der falsche Zeitpunkt wäre.“ Man habe genügend Baustellen in der Partei, dass man die Doppelspitze nicht gerade jetzt einführen sollte. „Eine überzeugende Frau, ein überzeugender Mann wäre im Augenblick lieber.“
Stegner: Kein Automatismus bei Doppelspitze
Vor der Präsidiumssitzung sprach sich SPD-Vizechef Ralf Stegner am Morgen für eine Einbeziehung der SPD-Mitglieder in die Personalentscheidung aus. „Ich glaube, wenn es um den Parteivorsitzenden der SPD geht, geht es um die Mitglieder der SPD“, so Stegner. Über die Doppelspitze werde diskutiert werden. Dazu gebe es in der Partei unterschiedliche Meinungen und keinen Automatismus. „Wichtig ist, dass wir gute Verfahren finden, um zu den inhaltlichen, organisatorischen und personellen Weichenstellungen zu kommen, die die SPD braucht.“
Präsidiumsmitglied Aydan Özoguz erklärt vor der Sitzung des Präsidums: „Ich finde eine Doppelspitze grundsätzlich eine gute Sache.“ Die SPD stehe vor einer Herausforderung. „Aber mir ist ganz und gar nicht bange. Ich sehe wie sich alle beteiligen im Moment.“ Viele Parteimitglieder legten viele Ideen vor, „die alle mitdenken, wie kann es jetzt weiter gehen“. Die Parteiversammlungen seien zur Zeit „rappelvoll“. Özoguz zieht eine positive Zwischenbilanz: „Es ist eine gute Zeit der Herausforderung, und jetzt machen auch alle mit.“
Oppermann: Auch Nicht-Mitglieder einbinden
Udo Bullmann, der Europabeauftragte des Parteivorstandes, erwartet „eine angemessene Form, die Mitglieder zu befragen, mit ihnen zu arbeiten“. Es gebe sehr viele Rückläufe von der Basis der SPD. Viele Unterbezirke und Ortsvereine brächten sie ein. „Es ist unsere Partei, natürlich wollen alle mitentscheiden, wie es weitergeht.“
Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann plädiert dafür, dass die SPD bei Personalfragen wie dem Parteivorsitz und der Kanzlerkandidatur auch Nicht-Mitglieder entscheiden lässt. „Diese Entscheidungen auch für interessierte Bürger zu öffnen, die sich zum Beispiel für eine Kostenbeteiligung von fünf Euro für eine Wahl registrieren lassen, wäre ein mutiger Schritt“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Dulig: Oberbürgermeister wären geeignet
Der Ost-Beauftragte der SPD, Sachsens Parteichef Martin Dulig, wirbt für eine Bewerbung von Kommunalpolitikern für die SPD-Vorsitz. „Ich würde mich freuen, wenn einer unserer erfolgreichen Oberbürgermeister die Herausforderung annimmt“, sagte Dulig der Zeitung „Die Welt“. „Mir fallen schon einige Leute in den Städten und Ländern ein, die ich für fähig halte. Die kennt man vielleicht in Berlin noch nicht. Aber das lässt sich ändern.“