Heimspiel zum Auftakt: Zukunftsgespräch mit Olaf Scholz in Potsdam
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Pünktlich um 18.30 Uhr geht es los. Das erste Zukunftsgespräch startet. Die Reihe ist eine Art digitale Deutschlandtour, mit der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in den nächsten Wochen und Monaten unterwegs ist – von Potsdam bis Tübingen, von Mannheim bis Dresden. Der Auftakt am Mittwochabend in der brandenburgischen Landeshauptstadt ist für den Vizekanzler zugleich ein Heimspiel. „Olaf, du bist nicht nur Kanzlerkandidat, sondern auch unser Direktkandidat im Wahlkreis 61“, sagt Sarah Zalfen zur Begrüßung. Sie ist Vorsitzende der SPD-Fraktion im Potsdamer Stadtparlament.
Scholz: „Am liebsten würde ich jeden Tag solche Gespräche machen“
Zum Warmwerden stellt sie Scholz die ersten drei Fragen. „Warum kandidierst du hier?“ Scholz' Antwort ist so simpel wie einleuchtend: „Weil ich hier wohne. Der Wahlkreis ist mein Zuhause. Es ist wichtig, dass man sich selbst vor Ort gut auskennt und nicht ab und an mal einfliegt.“ Dass der SPD-Kanzlerkandidat Lust auf dieses Zukunftsgespräch hat, wird schon bei der zweiten Frage deutlich. „Am liebsten würde ich jeden Tag solche Gespräche machen“, sagt Scholz. Denn der Austausch mit Bürger*innen sei für ihn einer der Gründe, warum er Politik mache. Lust hat Scholz auch auf eine mögliche Kanzlerschaft: Zukunft, Respekt und Europa sind seine Leitmotive für diese Mission.
Konkret will der SPD-Kanzlerkandidat die Zukunft gestalten. Es geht um Missionen, die sich die SPD für die 20er-Jahre vorgenommen hat. Auch darüber will Scholz an diesem Abend sprechen. „Spätestens im Sommer hoffe ich, dass wir uns wieder in Biergärten treffen“, sagt er. Noch aber findet der Austausch digital statt und ist dadurch unmittelbarer als beispielsweise eine Rede auf einem Marktplatz zu verfolgen. Aus ihrem Wohn-, Arbeits- oder sogar Kinderzimmer sind Bürger*innen zugeschaltet und richten ihre Fragen direkt an Scholz.
Pendlerverkehr und Klimaneutralität in Potsdam
Inhaltlich geht es viel um lokale Begebenheiten vor Ort in Potsdam. Wie steht Scholz zu einer geplanten Autobahnraststätte im Norden der Stadt? Welche Haltung vertritt er beim Thema Denkmalschutz? Wie kann die Stadt bis 2030 klimaneutral werden? Dem SPD-Kanzlerkandidaten gelingt der Spagat, die konkreten Probleme vor Ort mit dem Handeln auf bundespolitischer Ebene zu verbinden. Das könnte wegweisend für kommende Gespräche in dieser Reihe sein.
So erklärt Scholz einem Potsdamer Schuhhändler, mit welchen Liquiditätshilfen die Bundesregierung Einzelhändler*innen während der Corona-Pandemie unterstützt. Die finalen Zahlungen werden bis zu 1,5 Millionen Euro pro Monat betragen können. „Das ist richtig und es ist notwendig, das zu machen“, sagt der Bundesfinanzminister. Zur Problematik des zunehmenden Pendlerverkehrs zwischen Potsdam und Berlin, der für Scholz auch persönlich gilt, erläutert er, dass die im Bundeshaushalt vorgesehenen Mittel zum Ausbau des schienengebundenen Verkehrs von 333 Millionen Euro pro Jahr auf eine Milliarde angehoben worden seien. „Das ist eine ganz dringende Aufgabe, um den Pendlerverkehr zu entlasten“, sagt er.
„Ich bin dafür, dass Strom günstiger werden muss“
Es geht während des eineinhalbstündigen Zukunftsgespräches auch um die großen gesellschaftlichen Fragen. Und Scholz gibt klare Antworten. Beim Wohnungsbau etwa: Sein Ziel ist es, dass in Deutschland 400.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden, ein Viertel davon als geförderter Wohnraum. Die Vergemeinschaftung von Wohnungsbaugesellschaften hat für ihn keine Priorität. Er sagt auch: „Ich bin dafür, dass Strom günstiger werden muss.“ Dafür soll die EEG-Umlage reformiert werden.
Vor allem sozialpolitisch setzt Scholz klare Leitlinien, wo es mit ihm als Bundeskanzler hingehen soll. Ohne große Umschweife sagt er etwa zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen: „Das ist aus dem Ruder gelaufen. Ich bin dafür, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen. Viele Jahrzehnte ging es ohne. Warum soll es nicht wieder ohne gehen?“ Beim Thema Rente gibt er ein klares Versprechen: „Wir werden ein stabiles Rentenniveau garantieren. Das ist möglich ohne explodierende Beiträge und mit geringen steuerlichen Zuschüssen.“ Zudem sagt Scholz: „Ich setze mich dafür ein, dass wir den Mindestlohn schnell auf 12 Euro erhöhen.“
Es ist eine Fülle von Themen, die an diesem Abend behandelt werden. Und auch wenn in 90 Minuten nicht alle Fragen beantwortet werden können, so punktet Scholz doch durch seine fachliche Kompetenz und klare sozialdemokratische Botschaften für die Zukunft.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo