Klaus Wowereit hat einen fulminanten Wahlkampf hingelegt, samt Plakaten, die Preise verdienen. Vor allem aber wurde er belohnt dafür, dass es Berlin heute besser geht als vor zehn Jahren. Damals ist Wowereit zum ersten Mal Regierender Bürgermeister der deutschen Hauptstadt geworden. Seither sind beide zusammengewachsen und zusammen gewachsen.
Das mediale Drumherum hat das Berliner Ergebnis verfälscht. Seit Wochen wurde dem Publikum suggeriert, die Wahl sei schon gelaufen, Berlin sei Wowi-Town. Und aus Enttäuschung über die Grünen wurden die Piraten in den letzten Tagen vor der Wahl auf beispiellose - und verantwortungslose - Weise hochgejubelt. So sind die Grünen trotz stattlicher Zugewinne gefühlte Verlierer. Und Klaus Wowereits SPD hätte wohl mehr erreicht, wäre zwei Wochen früher gewählt worden. Merke: Eine permanente Umfragenbeschallung tut der Demokratie nicht gut.
Nun ist das sogenannte Superwahljahr vorüber. In sieben Landtagswahlen haben die Wähler gesprochen. In Hamburg am 20. Februar. In Sachsen-Anhalt einen Monat später. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg am 27. März. In Bremen am 22. Mai. Am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern, und heute in Berlin.
In Hamburg gab es einen Erdrutschsieg für die SPD, in Bremen, Berlin, Rheinland-Pfalz und MeckPomm wurden Sozialdemokraten im Amt bestätigt, im tiefen Südwesten löste Grün-Rot Schwarz-Gelb ab. Überall spielten regionale Themen und Besonderheiten eine Rolle. Gleichwohl waren sich "die Wähler" allüberall über einige Dinge erstaunlich einig.
Zunächst einmal: Schwarz-Gelb ist unten durch. Sogar bei vielen Schwarzen und Gelben. Und sonst?
1. Deutschlands Wähler wollen gut und solide regiert werden.
Manchmal geben Wähler auch schon mal schillernden Figuren ihre Stimme. Aus Protest oder Langeweile oder aus einer Laune heraus. Doch wenn es brenzlig wird, suchen sie Verlässlichkeit, belohnen sie Seriosität und Kompetenz.
2. Wähler wollen ernst genommen werden.
Es reicht nicht zu sagen: ich bin von hier. Oder den Menschen nach dem Mund zu reden. Wähler haben ein waches Gespür dafür bewiesen, wer sich mit ihnen identifiziert und wer sich nur anbiedert.
3. Die Umwelt ist ihnen wichtig, aber Gerechtigkeit auch.
Grüne Themen bewegen Wähler jedweder Herkunft. Mehr oder weniger angegrünt sind alle Parteien. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Grünen auf dem Weg sind, Volkspartei zu werden. Wähler wollen saubere Luft und sichere, vernünftig bezahlte Arbeit, sie wollen gesundes Essen und gute Schulen. Sie wollen keine Atomkraft, aber Strom, der verlässlich und bezahlbar aus der Steckdose kommt.
4. Totgesagte leben länger.
Die medialen Abgesänge auf die SPD haben sich als - mindestens - verfrüht erwiesen. Die Grundideen der Sozialdemokratie - Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität - sind so frisch wie eh und je. Wo diese Ideen in Programmen und hinter Regierungshandeln erkennbar sind und von Spitzenkandidaten glaubhaft verkörpert werden, wird die SPD belohnt.
5. Schaumschläger werden durchschaut - wenn auch nicht sofort.
Siehe Guttenberg. Siehe Westerwelle. Siehe Rösler. Fortsetzung folgt.
6. Es reicht nicht, Journalisten zu gefallen.
Renate Künast kann ein Lied davon singen. Je mehr real existierenden Berlinern sie begegnete, umso populärer ist "Wowi" geworden. Die Piraten haben die Berliner (noch) nicht kennenlernen können.
7. Haltung verdient und erntet Respekt. Umfaller werden bestraft.
Wähler erkennen, wo Politiker zu ihren Themen stehen - und wo nicht, wie die Rösler-FDP ausgerechnet in der Euro- und Europa-Frage. Wähler erkennen es an, wenn Kandidaten gut begründeten Positionen treu bleiben, auch wenn der Wind ihnen ins Gesicht bläst. Nicht immer sofort, aber auf lange Sicht schlägt sich das in guten Wahlergebnissen nieder.
8. Deutschlands Wähler mögen Nazis nicht.
Nahezu nirgendwo konnten braune und bräunliche Kandidaten ernsthafte Erfolge feiern - trotz oft massiver Anstrengungen, trotz mancher Anbiederei und obwohl Populisten immer dreister werden.
Das sind acht Lektionen, die Mut machen. Ganz so schlimm ist es um die deutschen Lande wohl doch nicht bestellt, wie Leitartikel und Bücher mit Titeln wie "Die verwirrte Republik" uns glauben machen wollen. Alles in allem ist "der Wähler" bedachter und klüger, als "Experten" vermuten. Das ist gut so - und macht Hoffnung für 2012 und folgende.