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Gustav-Heinemann-Preis: SPD zeichnet Erdoğan-Kritiker Can Dündar aus

Der türkische Journalist und Erdoğan-Kritiker Can Dündar hat am Montag den Gustav-Heinemann-Bürgerpreis der SPD erhalten. Als Laudator nutzte Parteichef Martin Schulz die Preisverleihung für einen deutlichen Appell in Richtung Ankara.
von Paul Starzmann · 22. Mai 2017
Schulz und Dündar
Schulz und Dündar

Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz und der türkische Journalist Can Dündar teilen eine ganz besondere Leidenschaft – die Liebe zum geschriebenen Wort. Der gelernte Buchhändler Martin Schulz sagte einmal, die Literatur habe ihm einst das Leben gerettet. Can Dündar, der bereits über 20 Bücher verfasst hat, teilt diese Erfahrung, wie er ein seinem Buch „Lebenslang für die Freiheit“ schreibt: Im Gefängnis Silivri, in dem er ab November 2015 drei Monate einsaß, waren es die Schriften Stefan Zweigs und Fjodr Dostojewskis, die ihn in der Isolationshaft davor bewahrten, den Verstand zu verlieren.

Aydan Özoğuz: Can Dündar wird auch in Deutschland bedroht

Heute lebt Can Dündar in Freiheit in Berlin. „Aber selbst hier in Deutschland wird er weiter bedroht“, sagte die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz bei der Verleihung des Gustav-Heinemann-Bürgerpreises am Montag in Berlin. Trotzdem hat Dündar das Schreiben nicht aufgegeben. Der ehemalige Chefredakteur der oppositionellen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ berichtet nun aus dem deutschen Exil über die dramatische politische Lage in seiner Heimat – einem Land, in dem die „Bürgerrechte massiv unterwandert“ werden, wie Martin Schulz sagte.

Für den SPD-Chef ist Can Dündar ein Held, der den Gustav-Heinemann-Bürgerpreis redlich verdient hat. Der Preis wird seit 1977 an Menschen und Organisationen verliehen, die sich für Freiheit und Demokratie stark machen. „Unser Preisträger ist in seinem Heimatland verurteilt worden, weil er seine Meinung frei geäußert hat“, sagte Schulz. Dündar war 2015 angeklagt worden, weil er einen kritischen Beitrag über illegale Waffengeschäfte in der Türkei veröffentlicht hatte. Es folgten drei Monate Untersuchungshaft, eine Geldstrafe und sogar ein Mordversuch vor dem Gerichtsgebäude in Istanbul. Anschließend verließ Dündar das Land, um einer Verurteilung wegen Spionage und Terrorismus zu entgehen. Seine Frau und seine Familie musste er zurücklassen. „Er hat sie seitdem nicht mehr gesehen“, sagte Schulz.

Schulz an Erdoğan: „Geben Sie diese Menschen unverzüglich frei!“

Der SPD-Chef wandte sich in seiner Laudatio direkt an Dündars Angehörige: „Gebt nicht auf“, sprach er der Familie Mut zu. An die türkische Regierung in Ankara richtete er deutliche Worte: „Hören Sie auf, Journalistinnen und Journalisten zu verfolgen – und geben sie diese Menschen unverzüglich frei!“ Die Türkei entwickle sich von einer pluralen Demokratie zu einem „Ein-Mann-Staat“, sagte Schulz. Sollte Präsident Erdoğan seinen autokratischen Kurs beibehalten und sogar die Wiedereinführung der Todesstrafe anstreben, so müssten die EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land abgebrochen werden. Eine Kampagne aus Ankara, die unter Deutsch-Türken für die Todesstrafe wirbt, werde es mit seiner Partei nicht geben, betonte der SPD-Vorsitzende.

Die Türkei zeige, wie verbale Anfeindungen und die politische Polarisierung in die Abschaffung der Demokratie münden könnten, gab Schulz zu bedenken. Mit Blick auf die deutschen Rechtspopulisten der AfD, die der SPD-Chef abermals eine „Schande für die Bundesrepublik“ nannte, fügte er hinzu: „Ich hoffe nur, dass es solche Methoden nicht in den deutschen Wahlkampf schaffen.“ Von Dündar könne die deutsche Politik lernen, „dass sich der Kampf um die Freiheit lohnt“.

Can Dündar – ein „Leuchtturm der Demokratie“

„Hätten Sie diese Worte in der Türkei gesagt, hätte die Polizei draußen auf Sie gewartet“, erwiderte Can Dündar auf Schulz' Rede im Willy-Brandt-Haus. Er betonte seine Verbundenheit zu Schulz und der SPD. Es sei gut zu wissen, „dass Sie und Ihre Partei auf unserer Seite sind.“ In der Tat gab es schon im Vorfeld der Preisverleihung aus den Reihen der Sozialdemokraten große Unterstützung für den Journalisten im Exil. So sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Dorothee Schlegel, die Dündar bereits mehrfach zu Gesprächen getroffen hat, gegenüber vorwärts.de: „Mein Respekt gilt seinem unerschrockenen investigativen Journalismus und seinem bedingungslosen Bekenntnis zur Meinungsfreiheit – trotz Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Morddrohungen.“ Martin Schulz sieht das genauso: „Ich bewundere Sie für Ihren selbstlosen Einsatz“, lobte er den Preisträger. „Sie sind ein Leuchtturm der Demokratie.“

Can Dündar, der in den vergangenen Monaten für seine Arbeit viele Auszeichnungen erhalten hat, scheint es besonders zu freuen, nun mit einem Preis geehrt zu werden, der den Namen des ersten sozialdemokratischen Bundespräsidenten trägt. Im Vorfeld der Preisverleihung habe er sich intensiv mit Heinemanns Biografie beschäftigt, sagte er – und zitierte einen berühmten Satz des SPD-Politikers: „Wir müssen Demokraten und Republikaner sein – oder wir werden nicht mehr sein.“

 

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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