GroKo oder NoGroKo: Die SPD lebt - und diskutiert ihren Kurs
In einer Sache sind sich an diesem Samstagvormittag in Peine wohl alle einig: „Wenn es überall so gut laufen würde wie bei uns in Niedersachsen, die SPD hätte deutlich weniger Probleme.“ Wer wollte Hubertus Heil, der in seinem Wahlkreis – zum fünften Mal in Folge – das Direktmandat für den Bundestag gewann und wenige Wochen nach der verlorenen Bundestagswahl den fulminanten Wahlsieg der SPD in Niedersachsen feiern durfte, da widersprechen? Darüber hinaus aber ist es auch in Peine, wo der ehemalige SPD-Generalsekretär bei einer Regionalkonferenz des Unterbezirks auftrat, mit der Einigkeit unter den Genossen schnell vorbei. Das Mitgliedervotum und die Frage „GroKo oder NoGroKo?“ sorgt für lebhafte Debatten. Ihr Ausgang, das zeigt die Diskussion der gut 200 anwesenden Parteimitglieder, bleibt offen.
Klare Kante statt neue GroKo
„Ich habe gegen eine neue große Koalition gestimmt, allerdings nicht aus programmatischen Gründen“, sagt etwa Selina Pannwitz, die sich im Ortsverein von Rosenthal (Landkreis Peine) für die SPD engagiert. „Das Vertrauen nach oben hin“ sei verloren gegangen, sagt sie mit Blick auf die Parteispitze und ist überzeugt davon, dass ein Rückzug der SPD in die Opposition dabei helfen könne, sich wieder mehr auf sich selbst zu besinnen. „Wir müssen wieder klare Kante zeigen“, fordert Pannwitz und erntet die Zustimmung ihres Ehemannes Daniel. Der ist ebenfalls in der SPD aktiv und bereit, für die Neustrukturierung der Partei das Risiko von Neuwahlen in Kauf zu nehmen. „Außerdem dürfen wir die AfD nicht zur stärksten Kraft in der Opposition machen“, fordert Pannwitz.
Seit an Seit sitzen Befürworter und Gegner einer Neuauflage der großen Koalition, diskutieren miteinander und sorgen so dafür, dass die SPD zuletzt – dank der innerparteilichen Debatte – als lebendige Partei wahrgenommen wird. Wolfgang Gnad etwa fordert: „Die SPD soll weiter in der Regierung bleiben“, und zeigt sich zuversichtlich, dass das Programm der Partei, „so wie es jetzt im Koalitionsvertrag festgemacht wurde“, auch „durchgezogen“ werde. Die Kommunikationsprobleme der Vergangenheit, in der eigene Erfolge nicht selten zerredet wurden, müssten überwunden werden, fordert Gnad.
„Bei Neuwahlen geht die SPD baden“
Das findet zwar auch Klaus Tannenbaum, der die SPD-Erfolge der vergangenen Legislaturperiode durchaus anerkennt, seine Stimme aber gehört dennoch dem NoGroKo-Lager. „Vor vier Jahren habe ich noch dafür gestimmt, man ist ja lernfähig“, sagt Tannenbaum und schmunzelt. „Ich will gestalten“, sagt er im Wissen darum, dass genau damit die Befürworter einer neuen großen Koalition argumentieren. Tannenbaum ergänzt: „Gestalten ist mehr, als nur ein CDU-Programm graduell zu verbessern. Das reicht nicht aus.“
Davon wiederum will Udo Willenbühler nichts wissen: „Bei Neuwahlen geht die SPD baden, mit Minderheitsregierungen kennen wir uns in Deutschland nicht aus. Ich bin für eine neue große Koalition“, sagt er entschieden.
Heil: SPD muss „Demokratiekrise“ verhindern
Und Hubertus Heil? Der macht aus seinem Ja im Mitgliedervotum keinen Hehl, findet aber klare Worte in Richtung Parteiführung: „Eine neue große Koalition auszuschließen war ein Fehler“, sagt er und bezieht die Kritik ausdrücklich auch auf seine eigene Person. Zur Regierungskrise sei ein „Führungskrise“ der SPD gekommen, die während der „Horror-Tage“ keine gute Figur abgegeben habe. Um daraus nicht auch eine „Demokratiekrise“ werden zu lassen, müssten sich die SPD-Mitglieder nun die Frage stellen, wie ihre Partei das Land besser machen und den Menschen helfen könne. „Das ist der entscheidende Maßstab“, so Heil in Peine.