Generationenwechsel bei der SPD in Nordrhein-Westfalen
Die Mühen der vergangenen Wochen und Monate haben sich gelohnt. Als das Ergebnis zur Wahl des neuen Vorsitzenden der NRWSPD verkündet wird, fällt die ganze Anspannung von Sebastian Hartmann ab: Satte 80,3 Prozent der Delegierten des Bochumer Parteitags haben den 40-Jährigen aus dem Rhein-Sieg-Kreis zum Nachfolger von Michael Groschek gewählt. Wenige Augenblicke nach der Bekanntgabe des Ergebnisses findet sich der Bundestagsabgeordnete in einer Traube aus Menschen wieder. Er lacht und nimmt die zahllosen Glückwünsche entgegen. Es ist ein echter Erfolg für den Mann, der seit seiner Nominierung durch den Landesvorstand im April unentwegt in den Ortsvereinen und Unterbezirken des größten SPD-Landesverbandes unterwegs war, um für sich und seine Ideen zu werben.
Die NRWSPD verjüngt sich deutlich
Im Bochumer RuhrCongress wird an diesem Samstag ein echter Schnitt vollzogen. Neben Sebastian Hartmann wählen die Delegierten auch die 47-jährige Nadja Lüders zur neuen Generalsekretärin. Der neue Führung des Landesverbandes hat einen Alterdurchnitt von gerade einmal 40 Jahren. Einen „nie dagewesenen Generationenwechsel“, nennt das Michael Groschek. Dreizehn Monate nach der verlorenen Landtagswahl hat sich die NRWSPD endgültig neu aufgestellt. Ab jetzt soll es – so das Parteitagsmotto – „Auf nach vorne“ gehen.
Tatsächlich verbreitet Sebastian Hartmann in einer engagierten und mit Spannung erwartetet Rede dann viel Zuversicht. Er appelliert an den Zusammenhalt der Partei, die fortan wieder selbstbewusst auf Sieg setzen und klare Positionen formulieren müsse. Es folgt ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr soziale Gerechtigkeit. „Ungleichheit ist der gefährlichste Sprengstoff des 21. Jahrhunderts“, sagt er. Deutschland müsse ein „starker solidarischer Sozialstaat“ sein, zu dem große Vermögen, hohe Einkommen und Erbschaften endlich einen angemessenen Beitrag leisten müssten. Es bedürfe mehr „sozialer Investitionen“ in gute Bildung sowie einer öffentlichen Wohnungsbauförderung, damit Wohnen auch in Ballungsgebieten bezahlbar bleibe. Eine „Bad Bank“ für Altschulden von Städten und Gemeinden soll nach Hartmanns Ansischt den Kommunen wieder Investitionen ermöglichen. Für all das wolle er „mutig streiten“, sagt Sebastian Hartmann. Und er fügt hinzu: „Wir nehmen die Umstände an, wir nehmen sie nicht hin.“
Andrea Nahles attackiert die CSU
Die Umstände nicht länger hinnehmen, das möchte auch Andrea Nahles nicht. Die SPD-Vorsitzende nutzt ihren Auftritt in Bochum zum Angriff auf die CSU, deren andauernde Provokationen in der Asylpolitik schlicht „schäbig“ seien. Die anstehende Wahl in Bayern veranlasse die Christsozialen zu einer Politik, die eine Gefahr für ganz Europa darstelle. „Seehofer und Söder sind auf dem Weg zum deutschen Brexit“, erklärt sie. Auch in Großbritannien hätten Konservative Europa unentwegt schlechtgeredet. Die Konsequenz dieser „jahrelangen Beschallung“ sei die Abkehr der Menschen von Europa gewesen.
Die Alleingänge der CSU will die SPD-Chefin nicht länger hinnehmen. Beim Koalitionausschuss am Dienstag werde „Tacheles“ geredet. Die CSU müsse dort – „Ja oder Nein“ – ein klares Bekenntnis zu Europa abgeben. Die SPD, so fügt Nahles hinzu, vertrete in der Asylpolitik einen humanen, nüchternen und realistischen Kurs. Die Verfahren müssten schneller und rechtssicher abgewickelt werden. Dafür sei Innenminister Seehofer zuständig. „Der soll endlich seinen Job machen“, fordert Nahles in Bochum.
Nahles: „Die NRWSPD wird dringend gebraucht.“
Sebastian Hartmann sagt die SPD-Vorsitzende eine „hervorragende Zusammenarbeit“ zu. Allen sei bewusst, dass man nur erfolgreich sein könne, „wenn das Herz der SPD kräftig schlägt“. Und sie greift das auf, was Sebastian Hartmann ebenfalls angemahnt hat: Klare Positionen und Haltung würden von der Sozialdemokratie erwartet. Strittige Themen dürften nicht länger unter den Tisch gekehrt werden oder in „Formelkompromissen“ enden. Man müsse in zentralen Fragen Klärungen herbeiführen.
Die Botschaften der SPD seien zuletzt nicht mehr rübergekommen, sie habe deshalb „fischig“ gewirkt. Es könne nicht sein, dass 80 Prozent der Mitglieder nicht wüßten, wo die Partei inhaltlich stehe. Widersprüche müßten geklärt und darüber hinaus einen Ideenvorrat angelegt werden. „Die SPD wird dringend gebraucht“, sagt Andrea Nahles und der neue Vorsitzende in NRW pflichtet kräftig bei: „Für die SPD liegt der beste Tag immer in der Zukunft.“
Lesen Sie hier, wie Sebastian Hartmann die NRWSPD verändern will.
war Parlamentsredakteur für verschiedene Tageszeitungen sowie Sprecher der SPD und der NRWSPD. Für den vorwärts berichtet er vor allem aus Nordrhein-Westfalen.