Vor wenigen Tagen hat sich die SPD-Arbeitsgemeinschaft „Selbst Aktiv!“ in Berlin konstituiert. Sie tritt für die Belange behinderter Menschen ein. Der Vorsitzende Karl Finke hat klare Forderungen an seine Partei.
Peer Steinbrück soll der Behindertenpolitik einen Platz in seinem Kompetenzteam geben. Das fordert Karl Finke, Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft „Selbst Aktiv!“, die sich um die Belange behinderter Menschen kümmert. „Im Team von Peer Steinbrück sollte ein Mitglied von Selbst Aktiv! Vertreten sein“, sagte Finke dem vorwärts. Eine diesbezügliche Forderung hatte die Arbeitsgemeinschaft auch bei ihrer konstituierenden Bundeskonferenz am 4. Mai verabschiedet.
In der so genannten Berliner Erklärung heißt es: „Wir Menschen mit Behinderungen können am besten selbst darstellen, was wir denken, fühlen und wünschen. Wir wollen mitgestalten und nicht gestaltet werden.“ Selbst Aktiv! hat deshalb einen Katalog kurz- und längerfristiger Ziele aufgestellt. So sollen behinderte Menschen künftig bei allen politischen Vorhaben direkt beteiligt werden. Öffentliche Räume und Plätze müssen allgemein zugänglich gemacht werden.
Eher längerfristige Ziele sind eine Umgestaltung des Bildungssystems (dieses soll von der Krippe bis zur Erwachsenenbildung inklusiv organisiert sein) und eine Reform der Eingliederungshilfe (ein einkommens- und vermögensunabhängiges „Teilhabegeld“ soll „die Eigenständigkeit und Mündigkeit behinderter Menschen außerhalb der Sozialhilfe stärken“). Auch soll der Bundesbehindertenbeauftragte künftig den Rang eines Staatsministers erhalten.
„Wir fordern Mitsprache“
„Es geht um die Umsetzung der Menschenrechte“, sagt Karl Finke – „nicht mehr und nicht weniger“. Seit mehr als 40 Jahren muss er mit einer Sehstärke von nur einem Prozent zurechtkommen. 1969 schrumpften seine Sehnerven innerhalb von zwei Wochen. Finke war da erst 21 Jahre alt. „Ich musste mein Leben damals komplett neu organisieren“, erinnert er sich. Seit 1990 ist Finke Behindertenbeauftragter des Landes Niedersachsen, seit 2005 Präsident des Landes-Behinderten-Sportverbands. Und seit knapp zwei Wochen erster Vorsitzender der AG Selbst Aktiv!, die neben Schwusos und der AG Migration und Vielfalt auf dem Bundesparteitag im Dezember 2011 offiziell ins Leben gerufen wurde.
„Wir fordern Mitsprache in der SPD“, sagt Karl Finke. Es dürfe nicht sein, dass es Arbeitsgemeinschaften erster und zweiter Klasse gebe: Alle müssten den Status eines beratenden Mitglieds im SPD-Parteivorstand bekommen. Dieser Status werde seiner AG bisher versagt. Auch müsse die SPD auf jeder Ebene behindertenpolitische Sprecher berufen und mehr Menschen mit Behinderung müssten Mitglied im Parteivorstand werden. Bei Wahlen müsse darauf geachtet werden, dass die SPD auch Kandidaten mit Behinderung aufstellt. „Wir wollen gefördert und nicht geduldet werden“, sagt Finke.
Um der Partei auf die Sprünge zu helfen, hat die Arbeitsgemeinschaft ein Handbuch erstellt, in dem beschrieben ist, wie Veranstaltungen barrierefrei durchgeführt werden können. „Das reicht von der problemlosen Erreichbarkeit des Ortes bis zu Sitzungsunterlagen in einfacher Sprache und Blindenschrift sowie Gebärdendolmetschern.“ Anträge, die dies fordern, wird die AG auf dem SPD-Parteikonvent am 16. Juni einbringen. „Nichts über uns ohne uns“, bringt Karl Finke die Forderungen seiner Arbeitsgemeinschaft auf den Punkt.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.