Parteileben

Ganz grosses Kino

von Kai Doering · 3. März 2013

Sie hat Romanistik studiert, im Hotel Betten gemacht und ein Kino geleitet. Nun setzt sich die Sozialdemokratin für Nachwuchs-Regisseure ein und vermittelt Kindern Medienkompetenz.

Rote Teppiche mag Sabine Matthiesen nicht. Stars und Glamour sind der 50-Jährigen eher lästig. Ein Besuch in Berlin zu Zeiten der Berlinale ist da keine gute Idee, könnte man meinen. Doch bei Sabine Matthiesen steht das Filmfestival jedes Jahr fest im Kalender.
„Kino ist für mich das Größte“, sagt sie. „Das Medium Film habe ich schon immer geliebt.“ Sich einen der Beiträge im Wettbewerb anzusehen, hat Sabine Matthiesen allerdings auch in diesem Jahr nicht geschafft. „Es gab einfach zu viel anderes zu tun.“ Sie hat sich zum Beispiel mit dem Regisseur Axel Ranisch getroffen. Sein Film „Dicke Mädchen“ lief im Dezember in den Kinos. Es war der erste Film nach seinem Abschluss an der Filmhochschule in Babelsberg. Und obwohl er nur gut 500 Euro gekostet hat, wurde er mehrfach ausgezeichnet. „In seinem Büro habe ich zum ersten Mal eine Lola in der Hand gehabt“, erzählt Sabine Matthiesen. „Die ist ganz schön schwer.“ Staunen und Ehrfurcht vor dem Deutschen Filmpreis schwingen bei dem Satz mit.

20 Jahre im Filmgeschäft

„Ein roter Teppich nutzt einem nichts, wenn man keine Strukturen und Netzwerke schafft“, ist Sabine Matthiesen überzeugt. Sie fährt deshalb zwar jedes Jahr im Februar nach Berlin, doch trifft sie sich lieber mit Nachwuchs-Regisseuren oder Filmförderern. Nach fast 20 Jahren im Filmgeschäft kennt sie davon eine Menge.
Dabei verlief ihr Einstieg in die Branche fast selbst filmreif: Nach dem Abitur zog es Sabine Matthiesen aus Gelsenkirchen zuerst nach Hamburg zum Romanistik-Studium. „Dort habe ich schnell gemerkt, dass ich noch etwas Praktisches lernen möchte.“ Nach dem Abschluss begann sie deshalb eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. „Ich mag es, Dinge schön zu machen.“ Sie merke es sofort, wenn irgendwo eine Vase schief auf dem Tisch steht. Nach einer Zwischenstation in Berlin kehrte sie nach Hamburg zurück – und begann im Kino zu arbeiten. Erst an der Kasse, dann im Marketing, schließlich als Geschäftsführerin der „Zeise“-Programmkinos. „Ich habe damals lange überlegt, weil mir mein bisheriger Aufgabenbereich so viel Spaß gemacht hat.“
Aber auch ihren neuen Job machte Sabine Matthiesen gut: Im Jahr 2000 wurde sie als beste Programmkinomacherin Deutschlands ausgezeichnet. Ein Jahr danach gewann sie den Preis für das beste Kino-Programm. „All das ist aber nur in einem guten Team möglich.“
2006 folgte dann der vorerst letzte große Schritt: Sabine Matthiesen wurde Geschäftsführerin des „Filmbüros MV“ in Wismar. Damit ist sie auch verantwortlich für die kulturelle Filmförderung in Mecklenburg-Vorpommern. Sie kümmert sich nun um Regisseure, die einen Film drehen wollen, denen aber das Geld dazu fehlt. Sie bietet Seminare für Nachwuchsfilmer an. Und sie verwaltet das filmische Erbe Mecklenburg-Vorpommerns. „Wer etwa sehen möchte, wie man vor 60 Jahren Weihnachten gefeiert hat, der wird bei uns fündig. Auch viele Filmemacher nutzen das audiovisuelle Archiv des Landes.“ Sehr am Herzen liegt Matthiesen die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. „In der modernen Medienwerkstatt bieten wir Kurse und Seminare an, mit denen ihre Medienkompetenz gestärkt wird.“ Auch mit den Jusos arbeitet sie regelmäßig zusammen. Es gab Filmabende zu Themen wie Rechtsextremismus und Energiewende.

Ganz oder gar nicht in Wismar

Sie habe sich damals bewusst entschieden, aus der Millionenstadt Hamburg ins beschauliche Wismar zu ziehen. „Für mich war klar: Ich mache das ganz oder gar nicht.“ In Wismar zu arbeiten und in Hamburg zu wohnen, das sei für sie nie infrage gekommen. Ganz leicht sei es für sie allerdings zu Anfang nicht gewesen. Mit ihrer offenen und mitreißenden Art hat sie den einen oder anderen verwundert. Davon hat sich Sabine Matthiesen aber nicht beirren lassen. „Ich bin beharrlich, wenn mir etwas wichtig ist.“ Heute, sechs Jahre nach ihrem Wechsel nach Wismar, könne sie vieles besser einschätzen.
„In den kommenden Jahren möchte ich noch vieles im Filmbereich entwickeln.“ Gerade hat sie eine Hörspiel-Werkstatt im Filmbüro angestoßen. „Die war ruckzuck ausgebucht.“ Und auch im Land würde Sabine Matthiesen gerne noch mehr für den Film tun. Da gebe es nämlich noch reichlich Potenzial. Gerne würde die begeisterte Hobby-Fotografin auch mal selbst mit einer Kamera losziehen. Dafür fehle ihr allerdings bisher die Zeit.
Ein weiterer Schritt steht für das engagierte SPD-Mitglied trotzdem schon jetzt fest. Und er hat ausnahmsweise nichts mit Filmen zu tun. „Im kommenden Jahr kandidiere ich für die Wismarer Bürgerschaft“, erzählt Sabine Matthiesen. Doch bevor sie sich in den Wahlkampf stürzt, wartet noch eine andere große Aufgabe: Im Herbst findet zum siebten Mal das „Filmfest Wismar“ statt. Matthiesen hat es ein Jahr nach ihrem Start in der Hansestadt „aus dem Nichts“ aus der Taufe gehoben. Zwei Jahre später kam ein eigenes Filmfest für Kinder dazu. Beide gehören mittlerweile fest zum kulturellen Programm im Norden. „Wir zeigen Filme, die in Mecklenburg-Vorpommern gedreht oder produziert, vom Land gefördert oder von Filmemachern aus MV geschaffen wurden.“ Den Menschen im Land solle so eine Bühne geboten werden. Auf den roten Teppich verzichtet Sabine Matthiesen deshalb bewusst.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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