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Freundeskreis Zürich: Wie SPD-Mitglieder in der Schweiz Politik machen

Am Sonntag wird in der Schweiz gewählt. Am Wahlkampf beteiligen sich auch SPD-Mitglieder. Doch der Freundeskreis Zürich hat noch eine Menge mehr zu bieten.
von Kai Doering · 20. Oktober 2023
„Wir legen aber Wert darauf, dass wir eine Präsenzgruppe sind.“ Mitglieder des SPD-Freundeskreises Zürich mit Gregor Manthey (r.)
„Wir legen aber Wert darauf, dass wir eine Präsenzgruppe sind.“ Mitglieder des SPD-Freundeskreises Zürich mit Gregor Manthey (r.)

„Wahlkampf funktioniert hier ganz anders als in Deutschland“, sagt Gregor Manthey. Er ist einer von drei Sprecher*innen des SPD-Freundeskreises Zürich. „Hier“ das ist die Schweiz, in der Manthey inzwischen schon seit zwölf Jahren lebt. Am Sonntag wird im Alpen-Staat ein neues Parlament gewählt und die deutschen Genoss*innen mischen dabei mit, um die SP, die Schweizer Schwesterpartei der SPD, nach Kräften zu unterstützen. Am Mittwoch beteiligte sich der Freundeskreis an einer Aktion, bei der SP-Sympathisant*innen angerufen wurden, um sie zum Wählen zu animieren.

Drei- bis viermal im Jahr wird abgestimmt

„Entscheidend ist, die eigenen Leute zu motivieren, dass sie zur Wahl gehen“, weiß Gregor Manthey. Anders als in Deutschland wüssten die Schweizer*innen schon lange vor dem Wahltag, welcher Partei sie ihre Stimme geben – wenn sie denn zur Wahl gehen. „Politische Themen werden hier breit diskutiert“, sagt Manthey. Einen Beitrag dazu leisteten auch die häufig stattfinden Volksabstimmungen. „Drei- bis viermal im Jahr wird hier über etwas abgestimmt“, berichtet Manthey. Im Wahlkampf gebe es deshalb auch deutlich weniger Plakate als in Deutschland. Auch Wahlkampf-Stände oder Haustür-Besuche seien nicht sehr verbreitet.

Dass es einen SPD-Freundeskreis in Zürich gibt, hat auch direkt mit den Schweizer Sozialdemokrat*innen zu tun. 2017, kurz vor der Bundestagswahl, luden sie zu einer Veranstaltung mit dem ehemaligen Schweizer Botschafter in Berlin Tim Guldimann und SPD-Außenpolitiker Nils Schmid ein. „Damals haben sich viele von uns Exil-SPDlern zum ersten Mal getroffen“, erinnert sich Gregor Manthey. Am Ende des Abends habe ein Entschluss gestanden: „Wir treffen uns nach der Wahl nochmal.“ Im Mai 2018 wurde dann offiziell der Züricher SPD-Freundeskreis gegründet, als Vertretung von SPD-Mitgliedern in der deutschsprachigen Schweiz.

Jeden Monat ein Stammtisch in Präsenz

„Am Anfang waren wir zu zwölft“, erinnert sich Gregor Manthey, der zu den Gründungsmitgliedern des Freundeskreises gehört. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie sei die Anzahl der aktiven Mitglieder deutlich angestiegen, in der Zeit, in der Treffen nicht möglich waren, dann eingebrochen. „Inzwischen sind wir fast wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit“, erzählt Manthey. Zwar hätten sich die Mitglieder während er Pandemie in Video-Konferenzen getroffen. „Wir legen ansonsten aber Wert darauf, dass wir eine Präsenzgruppe sind.“ An jedem dritten Mittwoch im Monat trifft sich die Gruppe zu einem Stammtisch in Zürich. Regelmäßig kämen auch SPD-Mitglieder aus St. Gallen und Bern dazu. „Wir reden viel über die deutsche Politik, wollen aber nicht nur ein Debattier-Club sein“, sagt Manthey.

Im Juni lud der Freundeskreis deshalb zu einer Diskussionsveranstaltung über Künstliche Intelligenz ein. Es kamen etwa 25 Leute. „Wir haben das Thema selbst vorbereitet, weil es dazu eine große Expertise bei uns gibt“, berichtet Gregor Manthey. Er selbst ist Informatiker. Im August gab es einen „politischen Apéro“ mit zwei Nationalräten von der SP, ein Treffen, bei dem es vor allem um die anstehende Nationalratswahl ging. „Als Freundeskreis sind wir erster Ansprechpartner für die Schweizer Sozialdemokraten“, berichtet Manthey. Er und seine Mitstreiter*innen würden auch zu den Parteitagen der SP eingeladen.

Zwei Wahlen werfen ihre Schatten voraus

Vor kurzem hat der Züricher SPD-Freundeskreis sein fünfjähriges Bestehen gefeiert – und dafür ein Boot auf dem Zürich-See gemietet. Im November steht eine Mitgliederversammlung an, bei der die drei stellvertretenden Sprecher*innen neu gewählt werden sollen. „Wir versuchen, ein moderner Ortsverein zu sein mit flachen Hierarchien“, sagt Gregor Manthey. Es gehe vor allem darum, gemeinsam Spaß an der politischen Arbeit zu haben. Im Dezember geht es deshalb auch für alle Mitglieder gemeinsam zum Weihnachtsmarkt nach Bern. Im vergangenen Jahr war der Weihnachtsmarkt in Konstanz das Ziel. Vorher hatten die Mitglieder des Freundeskreises Hilfspakete für die Ukraine gepackt, die sie über eine Aktion der DHL in Deutschland aufgaben.

Und dann richtet sich der Blick bereits auf das kommende Jahr. Auch wenn die Schweiz nicht zur Europäischen Union gehört, wirft die Europawahl im Juni ihre Schatten voraus – ebenso wie die Neuwahl der drei Sprecher*innen des Freundeskreises. Gregor Manthey wird dem Gremium künftig nicht mehr angehören. „Wir haben uns selbst eine Begrenzung auf maximal drei Amtszeiten auferlegt“, sagt er. „So wollen wir einen natürlichen Generationenwechsel einleiten.“ Mit seinen 45 Jahren gehört Manthey bereits zu den älteren Mitgliedern des Freundeskreises.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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