Parteileben

Freunde und Propheten

von Michelle Müntefering · 3. September 2010
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Peter Maffay sitzt ganz vorn in der Kirchenbank. Der Rockstar trägt ein schwarzes, kurzärmeliges Baumwollhemd und enge Jeans. Für die Lederjacke ist es zu heiß, nur die Tätowierungen, die echte Rocker-Kleidung für jeden Tag, bedecken seine trainierten Oberarme.

Hinter Maffay und seiner Band füllen einhundert Zehntklässler das katholische Gotteshaus in der Jerusalemer Altstadt. Die Bochumer Schüler besuchen Israel auf Einladung von Peter Maffay und Air-Berlin-Chef Joachim Hunold, dessen Airline den Flug übernahm. Eine Woche lang erleben die jungen Menschen das Land, grillen mit palästinensischen und israelischen Altersgenossen im Kibbutz, besuchen Yad Vashem und sind dabei, als Maffay sein erstes Konzert in Israel gibt.

Es geht darum, Türen zu öffnen
"Wir brauchen keine Mauern, wir brauchen Türen", predigt der katholische Patriarch von Jerusalem, Fouad Twal. Maffay gefällt dieser Satz. "Es ist das, worum es geht. Türen zu öffnen und Menschen zusammenzubringen", sagt Maffay nach dem Gottesdienst in seinem unverwechselbaren Tonfall mit dem rollend-verschluckten "r" und der Betonung der Wörter, die ihm wichtig erscheinen. "Zusammenbringen" ist so ein Wort. Wenn Maffay spricht, dann geht es meist um drei Dinge. Erstens um Musik, seine große Leidenschaft, die er vor vierzig Jahren zu seinem Beruf gemacht hat. Zweitens um Politik: Ein friedliches Zusammenleben und die Rechte der Kinder sind ihm wichtig. Drittens spricht er über sein eigenes Leben, über die Kindheit in Rumänien, die Versuche, Geige zu spielen - seiner Mutter zuliebe, doch wenig erfolgreich.

Mit 14 Jahren kommt Peter Maffay mit seinen Eltern aus Rumänien nach Deutschland. "Rumänien war ein totalitärer Staat. Demokratisches Bewusstsein kannte ich nicht. Das gab es für mich erst viel später, in Deutschland", erzählt Maffay. Als junger Mann drückt er sich in München erstmal die Nase an den Scheiben der Musikgeschäfte platt und gründet die Band "The Dukes". Mit seiner ersten Single, dem Schmuse­schmachtsong "Du", wird er 1969 im ganzen Land bekannt. 41 Alben schafften es seitdem in die Charts. Maffay kommt im Deutschrock an und verarbeitet 1982 mit Liedern wie "Eiszeit" die weit verbreitete Angst vor dem Atomkrieg. 1983 entsteht das musikalische Märchen "Tabaluga". Die Kinder, die damals vor dem Plattenteller sitzen und die ersten Abenteuer des grünen Drachen anhören, sind heute dreißig. Tabaluga hat inzwischen eine Freundin und ein eigenes Musical in Oberhausen. Maffays Erfolge dauern bis heute an. Mit seinem aktuellen Album "Tattoos" interpretiert der Musiker seine wichtigsten Songs neu, begleitet von einem klassischen Orchester.

Prominente helfen Kindern
Sein jüngstes Stiftungsprojekt führt den Rocker zurück in seine Kindheit: In Rumänien soll ein weiterer Schutzraum für Kinder entstehen. Wie schon auf Mallorca, wo er mit seiner jungen Frau und seinem Sohn Yaris auf einem Bio-Bauernhof lebt und wo er mit seiner Stiftung eine Finca für traumatisierte Kinder eingerichtet hat. "Die Kinder erleben da eine Pause von ihrem Schicksal", sagt Maffay. "Manche haben in ihrem Leben noch nie eine Ziege gestreichelt."

Die Maffay-Stiftung unterstützen mittlerweile zahlreiche Prominente: Fernsehstars, Unternehmer, Politiker. Die SPD-Spitzen Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier gehören dazu. Auch Joachim Gauck gab sich kürzlich als Maffay-Fan zu erkennen. Beim Sommerfest des neuen Bundespräsidenten Christian Wulff im Schloss Bellevue sprang der Präsidentschaftskandidat und Bürgerrechtler spontan auf die Bühne und sang gemeinsam mit Maffay den Einheits-Hit "Über sieben Brücken", den die DDR-Band "Karat" schrieb. Geht es um rechtes Gedankengut, wird Maffay deutlich: "Diese braune Soße brauchen wir nicht." Parteipolitisch will er sich aber nicht festlegen, auch wenn der Rocker alles andere als konservativ ist.

Auch Til Schweiger kommt
Zum Jerusalemer Konzert am Abend auf dem Rathausplatz ist auch Til Schweiger gekommen. Die Bochumer Schülerinnen kreischen und stürmen mit Handy und Digitalkamera auf den Star des Films "Keinohrhasen" zu, um ein Foto zu ergattern. Als Israels Staatspräsident Shimon Peres sich mit einer kurzen Rede an die Jugendlichen wendet und die nächste Generation um Frieden bittet, verstummen die Konzertbesucher.

Aber die wirkliche Sensation an diesem Abend ist eine andere: Peter Maffay ist der erste deutsche Künstler, der in Jerusalem ein Konzert in deutscher Sprache gibt.
Zehn Jahre zuvor durfte der erste deutsche Politiker im israelischen Parlament, der Knesset, deutsch sprechen. Es war Bundespräsident Johannes Rau, der seine Aufgabe darin sah "zusammenzuführen". Wenn für die nächste Bundespräsidentenwahl wieder ein überparteilicher, beim Volk beliebter Kandidat mit Botschaft und Programm gesucht wird - vielleicht sollte die Politik mal über Peter Maffay nachdenken?

Autor*in
Michelle Müntefering ist Mitglied des Deutschen Bundestages.
Michelle Müntefering

ist Journalisitin und Bundestagsabgeordnete.

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