FES digitalisiert den „vorwärts“
Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) hat im Januar mit den Vorbereitungen zu dem groß angelegten Digitalisierungsprojekt begonnen. Ziel ist es, sozialdemokratische Geschichtsschreibung stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Momentan werden etwa 200 000 Seiten der „vorwärts“-Ausgaben zwischen 1876 und 1933 eingescannt. Anschließend sollen sie Wissenschaftlern und der interessierten Allgemeinheit kostenfrei im Internet zugänglich gemacht werden. Das Projekt soll insgesamt eineinhalb bis zwei Jahre in Anspruch nehmen.
Wann genau der digitale „vorwärts“ online geht, steht noch nicht fest. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts übernimmt Meik Woyke, Leiter des Referats Public History der FES. Der erste Jahrgang wurde bereits in einem Antiquariat erworben. Um die Kosten niedrig zu halten, ruft die FES alle „vorwärts“-Leser auf, ihre Ausgaben aus dem genannten Zeitraum der Bibliothek zeitweise zur Verfügung zu stellen.
Geschichte der Arbeiterbewegung zugänglich machen
Die Digitalisierung des „vorwärts“ erfolgt nicht nur aus konservatorischen Gründen. Sie ist auch Teil einer langfristigen Strategie der FES-Bibliothek, Quellen zur Geschichte der Arbeiterbewegung online zugänglich zu machen. Zentrales Recherche-Organ für Ereignisse aus der Zeit der Weimarer Republik ist bisher vor allem die „Vossische Zeitung“ des liberalen bürgerlichen Lagers. Die zwischen 1918 und 1934 in Berlin erschienene Zeitung kommt dem „vorwärts“ an Dichte und Erscheinungszeitraum nahe und wurde bereits von der Berliner Staatsbibliothek digitalisiert.
Wissenschaftler, die zu Ereignissen aus diesem Zeitraum forschen, arbeiten überwiegend mit der „Vossischen Zeitung“ als Quelle. Ältere Ausgaben des „vorwärts“ können im Gegensatz dazu nur ortsgebunden an wenig benutzerfreundlichen Mikrofilm-Lesegeräten in Bibliotheken verwendet werden. Dadurch werden diese Quellen seltener genutzt, Ereignisse aus der Zeit der Weimarer Republik dementsprechend einseitig ausgelegt.
Geschichte des „vorwärts“
Im Jahr 1876 wurden die Partei-Organe der „Neue Social-Demokrat“ und „Der Volksstaat“ zum „Vorwärts“ zusammengeführt. Die Zeitung war das offizielle Parteiorgan der vereinigten „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“. Herausgeber der bis 1933 ununterbrochen erscheinenden Parteizeitung waren Wilhelm Liebknecht und Wilhelm Hasenclever. Nur in den Jahren der Bismarckschen Sozialisten-Gesetze von 1878 bis 1890 ereilte den „Vorwärts“ ein Publikationsverbot. Ab 1879 wurde er im Züricher Exil unter dem Namen „Der Socialdemokrat“ verlegt. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Parteizeitung verboten. Keine andere deutsche Zeitung erschien so kontinuierlich vom Deutschen Kaiserreich bis zum Ende der Weimarer Republik.
Alle führenden Politiker der Sozialdemokratie waren gleichzeitig auch Autoren des „Vorwärts“. Die Parteizeitung war das Zentralorgan für sozialdemokratische Politik in einem Zeitalter ohne Radio und Fernsehen. Der Verlauf der deutschen Geschichte von Bismarck über den Ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution und die Gründung der ersten parlamentarischen Demokratie unter Friedrich Ebert spiegelt sich in den täglichen Ausgaben wider. Die verschiedenen Wochen-Beilagen zu Literatur, Sport, Frau und Familie ergänzen das Bild zu einer umfassenden Darstellung der Arbeiterbewegung im Kaiserreich und der Weimarer Republik.
Ein Stück Zeitgeschichte erhalten
Das gedruckte Gesamtvolumen des „vorwärts“ bis 1933 umfasst 200 000 Seiten. Die Mikrofilm-Ausgabe umfasst 158 Mikrofilmrollen. Sowohl die Papier- als auch die Mikrofilmausgaben sind durch die vieljährige Nutzung stark beschädigt. Die Papierausgabe ist aus konservatorischen Gründen seit Jahren nicht mehr öffentlich zugänglich. Eine Restaurierung würde enorme Kosten und letztendlich keinerlei Verbesserung für die Massennutzung mit sich bringen. Aus diesem Grund entschied sich die FES-Bibliothek, die „vorwärts“-Ausgaben zu digitalisieren.
Mehr zur Geschichte des „vorwärts“ lesen Sier hier.
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