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Erstmals an amtierende Politikerin: Malu Dreyer mit August-Bebel-Preis ausgezeichnet

Erstmals ging der August-Bebel-Preis an eine amtierende Politikerin: Dass die Ministerpräsidentin Malu Dreyer derzeit auch noch kommissarische SPD-Vorsitzende ist, sah der Stiftungsvorsitzende Wolfgang Thierse als „Bestätigung“ für die Auszeichnung.
von Marisa Strobel · 28. September 2019

„Auf den ersten Blick scheint die Verleihung an Malu Dreyer ein bisschen selbstbezüglich“, gab Wolfgang Thierse zu, „nach dem Motto: Die SPD ehrt sich selbst, wenn dies schon kein anderer tut.“ Der Vorsitzende der August-Bebel-Stiftung betonte aber zugleich: Zum Zeitpunkt der Entscheidung für Malu Dreyer vor fast einem Jahr sei überhaupt nicht absehbar gewesen, dass die Preisträgerin in Berlin „für die Bundespartei derart in die Presche springen müsste“.

Neun Jahre nach der Gründung durch Günter Grass verlieh die August-Bebel-Stiftung am 27. September im Berliner Willy-Brandt-Haus den Preis zum fünften Mal an Personen, die sich „wie August Bebel um die soziale Bewegung in Deutschland verdient gemacht haben“. Mit Malu Dreyer habe man sich für eine Politikerin entschieden, „die die sozialen Probleme der Zeit angeht“, sagte Thierse und sah sie dabei in der Tradition ihres Vorgängers August Bebel. „Malu Dreyer hat sich in ihrem Buch als soziale Optimistin bezeichnet – das ist eine Grundhaltung, die wir auch bei August Bebel antreffen.“ Bisherige Preisträger waren der Sozialphilosoph Oskar Negt (2011), der Journalist Günter Wallraff (2013), der Künstler und Präsident der Akademie der Künste Klaus Staeck (2015) und die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission Gesine Schwan (2017).

Geradlinig, offen und ehrlich

Die Laudatio auf Malu Dreyer hielt an diesem Freitagabend die Schriftstellerin Eva Menasse. In ihrer Rede mahnte sie bitterernste Zeiten an: „Heute durchziehen tiefe Gräben diese Gesellschaft in ganz rechts und in ganz ratlos.“ Der größte Mangel sei der Mangel an Glaubwürdigkeit, kritisierte Menasse und lobte Malu Dreyer als Gegenmodell populistischer Meinungsmache: „Sie redet nie jemandem nach dem Mund.“ In der ganzen Hysterie der Zeit gehe Malu Dreyer entschlossener und geradliniger als die meisten anderen ihren Weg, die besser laufen könnten als sie, sagte die Schriftstellerin in Anspielung auf die chronische Erkrankung der kommissarischen SPD-Chefin. „In ihrem offenen und ehrlichen Umgang auch mit unbequemen Wahrheiten liegt ihre Stärke.“

Offen und ehrlich zeigte sich Malu Dreyer auch an diesem Abend. In ihrer Rede kritisierte sie ihre Partei scharf für den Umgang mit der ehemaligen Parteivorsitzenden Andrea Nahles, den sie bis heute „zutiefst beschämend“ finde: „Es bleibt einfach hundsmiserabel, wenn eine SPD, die Solidarität verkörpert, so mit ihrem eigenen Personal umgeht“, klagte sie und forderte dieses Verhalten ein für alle Mal ad acta zu legen.

Die Stärken einer Doppelspitze

Hoffnung dafür legte sie in die künftige Doppelspitze. „Zu wissen, man hat einen Partner an der Seite, der vielleicht dort Stärken hat, wo man selber Schwächen hat, das ist eigentlich ein ganz großer Gewinn“, sagte Malu Dreyer. Um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit an der Spitze zu gewährleisten, habe man sich deshalb bewusst entschieden, Kandidaten im Team antreten zu lassen.

Eine Konstellation, die übrigens schon zu Zeiten August Bebels Tradition in der Sozialdemokratie hatte, wie sowohl Wolfgang Thierse als auch Preisträgerin Malu Dreyer betonten. Denn auch August Bebel hatte den Vorsitz gemeinsam mit einem Co-Vorsitzenden inne – mit Erfolg: „Unter Paul Singer und August Bebel erlebte die SPD ihre erfolgreichste Phase des Aufstiegs zu einer Massenpartei“, sagte Thierse. Ob dem künftigen Spitzenteam ein Anknüpfen an diese Erfolge gelingen kann, wird die Zukunft zeigen.

Autor*in
Marisa Strobel

ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2013 hat sie beim vorwärts volontiert.

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