Parteileben

Erneuerung: Jetzt geht die SPD die großen Zukunftsfragen an

Auf dem SPD-Bundesparteitag in Wiesbaden ist der Leitantrag für die Erneuerung der Partei verabschiedet worden. Damit macht sich die Partei auf den Weg zur inhaltlichen und organisatorischen Reform.
von Fabian Schweyher · 22. April 2018

Als SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vor die 600 Delegierten auf dem Bundesparteitag tritt, macht er gleich zu Beginn klar: „Heute ist ein Parteitag, mit dem wir ein neues Kapitel der SPD aufschlagen, weil wir das Wort der Erneuerung mit Leben füllen.“ Es ist schließlich der Moment, an dem in Wiesbaden über den Leitantrag diskutiert wird, mit dem der Parteivorstand die Neugestaltung der SPD vorantreiben will.

Zukunft der Arbeit

Der SPD-Vorstand hat dabei vier Themenbereiche bestimmt. Dazu zählen Deutschlands Rolle in der Welt, Wachstum und Wohlstand sowie ein bürgerfreundlicher Staat. Debattiert wird an diesem Sonntag jedoch am meisten über eine andere Frage: die „Zukunft der Arbeit“.

Darin nimmt die Digitalisierung, die die SPD mit einer zeitgemäßen Arbeitsmarktpolitik gestalten möchte, großen Raum ein. Die Möglichkeiten des digitalen Wandels sollen „für bessere Arbeit, Arbeitszeitverkürzung und mehr selbstbestimmtes Arbeiten“ genutzt werden. Um neue Formen der Zusammenarbeit geht es, um Arbeitszeitmodelle, um Weiterbildung angesichts fortschreitender Digitalisierung.

Kritik an der Agenda-Politik

In diesem Abschnitt wird auch die Agenda 2010 erwähnt, die überprüft werden solle. Das ruft am Sonntag in Wiesbaden deren Gegner auf den Plan. „Hartz IV schafft Armut und manifestiert bestehende Armut“, ruft Sören Böhrnsen von den Jusos Bremen. „Statt Sanktionen müssen wir soziale Sicherheit schaffen“, fordert er. Das gehöre zu dem Erneuerungsprozess dazu. Eine ähnliche Meinung vertritt Simone Burger von der SPD München. „Wir brauchen eine grundlegende Debatte über die Agenda 2010 und müssen festhalten, dass wir an dieser Stelle die falschen Antworten gegeben haben.“

Für SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ist das die falsche Diskussion. „Ich will nicht mehr über 2003 reden“, sagt er. Ihn beschäftigt hingegen die Zukunft. „Was passiert eigentlich mit denen, die durch die Digitalisierung auf dem Arbeitsmarkt unter Druck geraten?“, fragt er. Auf die großen Herausforderungen der Zeit verweist ebenfalls Vize-Parteichef Olaf Scholz. Die SPD müsse sich mit den Folgen von Globalisierung und Digitalisierung auseinandersetzen. Eine programmatische Erneuerung der Partei sei notwendig, um die sozialdemokratische Partei und die Gesellschaft zu sichern.

Mehr inklusives Wachstum

Die sich verändernden Rahmenbedingungen finden im Leitantrag ihren Ausdruck auch in dem Kapitel, in dem es um Deutschlands Rolle in der Welt geht. Sie müsse neu definiert werden. Die SPD stehe zur gewachsenen Verantwortung des Landes „für Frieden, Stabilität, fairen Handel, Nachhaltigkeit und eine gerechtere Globalisierung“. Für Europa wird ein Kurswechsel gefordert – „zu mehr inklusivem Wachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einer verbesserten sozialen Infrastruktur und sozialer Absicherung“. 


Der SPD-Parteivorstand fokussiert sich im Rahmen der Erneuerung in seinem Papier auch auf „Wachstum, Wohlstand und Wertschöpfung im 21. Jahrhundert“. Dort heißt es: „Wachstum hat für uns eine soziale Funktion und darf nicht reinen Profitinteressen dienen.“ Im Zentrum stehe die Lebensqualität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und nicht „abstrakte Wirtschaftsdaten“.

Bürgerfreundlicher Staat

Besonderer Bedeutung kommt auch einem bürgerfreundlichen, handlungsfähigen Staat zu. Er solle Sicherheit und soziale Teilhabe ermöglichen und gegen „neoliberale Angriffe“ verteidigt werden. „Staatliche Investitionen in die Teilhabechancen der Menschen sind Voraussetzung für Innovationsfähigkeit und Wachstum.“. Öffentliche Einrichtungen wie Schulen oder Krankenhäuser müssten gestärkt werden. Gleichzeitig solle geklärt werden, wie der Sozialstaat „einfacher, unbürokratischer, gerechter und auch in Zukunft vernünftig“ finanziert werden kann.

In Wiesbaden kommt Kritik von Charlotte Rosa Dick vom Juso-Bundesvorstand. „Die Schuldenbremse und die „Schwarze Null“ verhindern, dass wir den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden“, sagt sie. Dies verhindere auch, dass der Bund die Kommunen entlasten könne. „Das nimmt der Partei die Chance, eine Partei der Kümmerer zu sein.“

Kühnert will „Platz für Diskussion“

Große Erwartungen an die Ernsthaftigkeit des Erneuerungsprozesses hegen die Jusos. Ihr Bundesvorsitzender Kevin Kühnert stellt klar. „Wir erwarten, Platz zu lassen für die Partei zu diskutieren. Was Andrea aber in den letzten Tagen eingefordert hat, das möchte ich auch unterstreichen, ist: Wenn dort Platz gegeben ist, sollten wir ihn uns auch nehmen – und nicht dabei stehen bleiben zu kritisieren, was in der Vergangenheit schlecht gelaufen, sondern unsere Vorschläge einspeisen.“

Über all diese Themen soll in den kommenden zwei Jahren in der Partei debattiert und schließlich klare Positionen entwickelt werden. Partei-Vize Olaf Scholz stellt klar: „Das ist nicht das Ende der Diskussion, sondern der Anfang einer inhaltlichen Debatte.“ Beteiligung ist ausdrücklich erwünscht: Debattencamps, regelmäßige Mitgliederbefragungen und mehr Dialogformate wird es geben. Und der Bundesparteitag 2019 wird intensiv im Zeichen dieser Debattenergebnisse stehen. Eine wichtige Rolle spielen dabei laut Olaf Scholz auch die Möglichkeiten der Digitalisierung. Geplant ist etwa eine SPD-App für die Mitglieder, mit der die Parteiarbeit vereinfacht und verbessert werden soll.

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