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Erinnerung an Peter Struck: Der ehrliche Makler wird bis heute vermisst

Es gibt Menschen, die fehlen einfach. Ein solcher Mensch ist Peter Struck. Er starb am 19. Dezember 2012 in der Berliner Charité mit 69 Jahren viel zu früh an einem Herzinfarkt. Struck war unverwechselbar mit seiner rauen Raucherstimme, dem wilden Schnauzbart, vor allem aber seinem Witz und seiner Wärme.
von Renate Faerber-Husemann · 15. Dezember 2017
Peter Struck
Peter Struck

Auch wenn man lange in Archiven gräbt – hässliche Sätze über den langjährigen SPD-Fraktionschef Peter Struck gibt es weder von Oppositionsabgeordneten noch aus der eigenen Partei. Ein richtig netter Kerl sei der, sagte einst ein CSU-Abgeordneter, der mit ihm die Leidenschaft fürs Motorradfahren und für das Basteln an alten Maschinen teilte.

Peter Struck war „Rocker, Raubauz, Menschenfreund“

Peter Struck war fast dreißig Jahre im Parlament. Er war Fraktionsvorsitzender von 1998 bis 2002 und von 2005 bis 2009, dazwischen Bundesverteidigungsminister von 2002 bis 2005 als Nachfolger des glücklosen Rudolf Scharping. Legendär – und für manche auch irritierend – wurde sein Satz, die Freiheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt.

Der promovierte Jurist, der schon 1964 in die SPD eingetreten war, frozzelte und lästerte für sein Leben gern. „Rocker, Raubauz, Menschenfreund“ titelte der „Spiegel“ seinen Nachruf. Den Rocker gab Struck auch bei seinen zahlreichen Besuchen in Afghanistan gern vor Soldaten: Da röhrte er mit Sonnenbrille den „Jailhouse-Rock“, mit mehr Begeisterung als Talent, wurde manchmal geraunt.

Sein Büro: „Nichtraucherfreie Zone“

Über sein enormes Arbeitspensum als Fraktionschef und als Minister jammerte er nie. Wie Kräfte zehrend das war, wusste nur seine engste Umgebung. Die anderen konnten es ahnen: Ein Schlaganfall, ein Herzinfarkt (der zweite ein paar Jahre später war dann tödlich) – er ignorierte das, wollte und konnte sich nicht schonen. Auch von der Pfeife, die er fast immer umklammert hielt, mochte er nicht lassen. An seiner Bürotür im Bundestag klebte ein Zettel: „Nichtraucherfreie Zone“. Das war zu einer Zeit, als Rauchverbote schon fast überall die Regel waren.

Peter Struck ist bis heute unvergessen in der Fraktion. Er hielt den Laden auch in stürmischen Zeiten mit viel Geschick zusammen. Und die Zeiten waren meist stürmisch. Das galt für die rot-grüne Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder ebenso wie für die große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel. Oft genug haben die Genossen sich aufgelehnt gegen Zumutungen wie etwa die Agenda 2010, die sie dann in ihren Wahlkreisen auch noch verteidigen mussten. Doch letzten Endes folgten sie ihrem Vorsitzenden, der sich den Ruf eines ehrlichen Maklers in 30 oft harten Parlamentarier-Jahren erarbeitet hatte.

Geholfen hat dabei sicher ab und zu,, dass ihn mit  dem Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, eine echte Freundschaft verband. Überhaupt hatte Struck, der kumpelhafte Pragmatiker, Freunde in allen Fraktionen. Politischer Gegner gleich politischer Feind, das war nie seine Denkweise. In einem Interview sagte er einmal: „Ich achte alle, weil ich glaube, dass jeder aus fester Überzeugung für seine politische Einstellung im Bundestag tätig ist und nicht aus einem Hass gegenüber der SPD.“

Vom Struck'schen Gesetz

Zu seinen legandär gewordenen Sprüchen gehörte jener: „Kein Gesetz kommt aus dem Bundestag so raus wie es reinkommt.“ Das war seine stolze Antwort auf Schröders „Basta-Politik“. Heute spricht man vom Struck'schen Gesetz, das in allen Fraktionen gerne zitiert wird, weil es die in der Verfassung festgeschriebenen Machtverhältnisse zwischen Parlament und jeweiliger Regierung klarstellt.

Als er im Sommer 2009 sein Büro ausräumte, die Sammlung seiner Modell-Motorräder sorgfältig in einer Kiste verstaute, sagte er: „Ich bin froh, dass es vorbei ist. Also ich bin jetzt 66 Jahre alt. Ich mache seit fast 30 Jahren Politik unter erheblichen Stressbedingungen. Ich weiß nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Also, ich bin froh, dass ich aufhören kann und dass man das bedauert, dass ich aufhöre. Und dass man mich nicht aus dem Amt jagt. Ich sehe mit Befriedigung auf meine Arbeit zurück. Ich bin mit mir persönlich im Reinen.“

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

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