Parteileben

Er prägte ganze Generationen: Erhard Eppler wird 90

Ob als Ikone der Friedensbewegung oder scharfer Kritiker der Marktradikalen in Politik und Wirtschaft: Erhard Eppler prägte ganze Generationen. An diesem Freitag wird er 90 Jahre alt.
von Renate Faerber-Husemann · 7. Dezember 2016
Ikone der Friedensbewegung und scharfer Kritiker der Marktradikalen in Politik und Wirtschaft: Am 9. Dezember wird Erhard Eppler 90 Jahre alt.
Ikone der Friedensbewegung und scharfer Kritiker der Marktradikalen in Politik und Wirtschaft: Am 9. Dezember wird Erhard Eppler 90 Jahre alt.

Seine Bücher haben viele Menschen verändert oder zumindest nachdenklich gemacht. „Ende oder Wende – Von der Machbarkeit des Notwendigen“ (1975) hat eine ganze Generation geprägt. Wenn auf Parteitagen eine Rede Erhard Epplers angesagt wurde, dann füllte sich der Saal wieder. Dabei hat er seit Anfang der1980er Jahre, als er gesundheitlich angeschlagen und resigniert in Baden-Württemberg als Landesvorsitzender und Oppositionsführer im Stuttgarter Landtag zurücktrat, kein öffentliches Amt mehr gehabt. Nur Vorsitzender der SPD-Grundwertekommission blieb er von 1976 bis 1991.

Scharfe Kritik an Marktradikalen

Allein durch die Macht seiner Sprache wurde er zu einem der bekanntesten Politiker der Republik, angesehen weit über die Welt der Sozialdemokratie hinaus. Fast jedes seiner zahlreichen Bücher setzte Diskussionen in Gang. Und da der ehemalige Lehrer es versteht, auch schwierigste Zusammenhänge so zu schildern, dass sie verständlich werden, wird er bis heute gelesen und zitiert. Er erfand Begriffe wie „wertkonservativ“ und fragte in einem seiner frühen Bücher (1974): „Maßstäbe für eine humane Gesellschaft: Lebensstandard oder Lebensqualität?“ Das bleibt im Gedächtnis wie seine bis heute andauernde scharfe Auseinandersetzung mit den „Marktradikalen“ in Politik und Wirtschaft.

Natürlich war er nie ein einfacher Genosse für seine Partei. Gefährliche Strömungen früher zu erkennen als andere, macht nicht nur Freunde. So waren seine Auseinandersetzungen mit Bundeskanzler Helmut Schmidt legendär. Egon Bahr hat einmal über ihn gesagt: „Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben auch.“ In Epplers 2015 erschienenen Buch „Links leben – Erinnerungen eines Wertkonservativen“, das er sein Vermächtnis nennt, hat er versöhnlich geschrieben: „Meine Partei hat mir nicht mehr zugemutet als ich ihr. Wenn meine Partei das auch so sieht, ...bin ich zufrieden.“

Ikone der Friedensbewegung

Für viele ist und bleibt Erhard Eppler eine Ikone der Friedensbewegung. Aber das beruhte teilweise auf einem Missverständnis. Zwar stellte er sich auf die Seite der Demonstranten auf der Bonner Hofgartenwiese und überall in der Republik, weil er im Wettrüsten keinen Sinn mehr erkennen konnte. Aber er hat auch 1999 einen unwilligen Parteitag überredet, für den militärischen Balkaneinsatz der Regierung Schröder zu stimmen. Ein Pazifist im klassischen Sinne ist er also nicht.

In den letzten Jahren hat ihn kaum ein Thema so beschäftigt wie der Einfluss der „Marktradikalen“ und die Folgen dieser zynischen Ideologie für das Gemeinwohl. Diese Entsolidarisierung der Gesellschaft, mit einer immer gieriger werdenden kleinen, reichen Schicht, die sich nicht darum schert, wie die Mehrheit kämpfen muss, erfüllt ihn bis heute mit Sorge. Jahrzehnte lang waren Umweltschutz und Hilfe für die sogenannte Dritte Welt seine Hauptthemen, heute ist es der Neoliberalismus in Deutschland und Europa, die Verantwortungslosigkeit der sogenannten Leistungsträger.

Wie hält er das aus? Was gibt dem nun 90-jährigen Kraft? Die Familie mit Kindern, Enkeln, Urenkeln und seiner lebenspraktischen Frau Irene hilft. Aber auch die Arbeit im großen Nutzgarten und die Spaziergänge durch das Wäldchen, das gleich hinter dem Haus in Schwäbisch Hall beginnt, das einst seine Eltern gebaut haben.

Autor*in
Renate Faerber-Husemann

(† 2023) war freie Journalistin in Bonn und Erhard-Eppler-Biografin.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare