Parteileben

Emily Vontz: Wie die jüngste Abgeordnete ihre ersten Wochen erlebt

Seit Anfang des Jahres sitzt Emily Vontz für die SPD im Bundestag. Die 22-jährige Saarländerin ist dort die jüngste Abgeordnete. Auch wenn vieles für sie aufregend und neu ist, findet sie sich erstaunlich gut zurecht.
von Jonas Jordan · 7. Februar 2023
Emily Vontz ist seit Anfang des Jahres Bundestagsabgeordnete.
Emily Vontz ist seit Anfang des Jahres Bundestagsabgeordnete.

Die Sonne scheint durch ihr Büro im siebten Stock des Paul-Löbe-Hauses mit Blick auf das Reichstagsgebäude. „Dort drüben sitzt Philipp Amthor“, sagt Emily Vontz und zeigt auf die benachbarte Fensterfront. Der CDU-Nachwuchspolitiker telefoniert gerade an seinem Schreibtisch. Einmal haben sie sich schon zugewunken. „Ich treffe hier super viele Menschen, die ich aus dem Fernsehen oder von Social Media kenne. Das sind natürlich Einblicke, die man sonst nicht hat“, sagt die 22-jährige Saarländerin.

Ihr Herz schlägt für die deutsch-französische Freundschaft

„Ich bin sehr froh mit meinem Büro“, sagt sie. Das hat sie vom früheren Außenminister Heiko Maas übernommen, der sein Bundestagsmandat Ende des Jahres abgab. Vontz profitierte und rückte nach, als erste Abgeordnete, die im Jahr 2000 geboren ist und damit jüngste von 736 Bundestagsabgeordneten. Auch zwei Mitarbeiter übernahm sie von Maas, eine weitere kommt Mitte des Monats dazu. „Jeden Tag wachsen wir als Team mehr zusammen“, sagt die saarländische Juso-Landesvorsitzende, wenngleich noch nicht alles an seinem Platz ist. Eine Pinnwand steht auf dem Boden, provisorisch an die Wand gelehnt.

Von Routine will sie noch nicht sprechen. Doch langsam werden ihr die Dinge vertrauter in ihrer nun dritten Sitzungswoche. Am Anfang war vieles neu, die Abläufe, die vielen Sitzungen bis in den Abend, viele neue Gesichter. Nun findet sie sich im Paul-Löbe-Haus, wo auch die meisten Ausschüsse des Bundestages tagen, gut zurecht. Ihren Sitz im Bauausschuss sowie die stellvertretende Mitgliedschaft im Europaausschuss hat sie von Maas übernommen. „Das Aufregendste war, eine Frage zu stellen im Ausschuss“, erzählt sie. Diese richtete sie an Anna Lührmann, Europa-Staatsministerin im Auswärtigen Amt von den Grünen und im Jahr 2002 gewissermaßen Vontz‘ Vorgängerin als mit 19 Jahren damals jüngste Bundestagsabgeordnete.

Sanna Marin als Vorbild

Lührmann ist zugleich Beauftragte der Bundesregierung für die deutsch-französische Freundschaft. „Das war ein besonderer Moment, den ich nicht vergessen werde“, sagt Vontz. Denn die deutsch-französischen Beziehungen sind ihr Herzensthema. Von ihrem Heimatort Losheim am See sind es nur gut 20 Kilometer bis zur französischen Grenze. Nach ihrem Abitur arbeitete sie ein Jahr lang für das Goethe-Institut in Bordeaux. Ihre Frage stellte sie schließlich zum Umgang mit „antidemokratischen Kräften“, gerade in der Grenzregion. Das gefiel der AfD offenbar nicht. Ein Abgeordneter sprach abwertend davon, „was das Fräulein Vontz eben von sich gelassen“ habe. „Das war richtig abwertend gemeint, aber ich habe ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt und musste sogar ein bisschen lachen“, sagt sie.

Manchmal sei es komisch, durch die Flure des Bundestages zu laufen und nicht zu wissen, ob der eine oder die andere der AfD angehöre, sagt sie. Einen Shitstorm von rechts hat sie, anders als viele junge Frauen in der Politik, bislang noch nicht erlebt. „Es fasziniert mich, wie Frauen Verantwortung übernehmen und in einer männerdominierten Welt ihr Ding machen“, sagt Vontz und nennt die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin, die US-amerikanische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, aber auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger als Vorbilder.

Zutritt (fast) verweigert

Es ist kurz vor 15 Uhr, bald beginnt die Fraktionssitzung. Zielsicher läuft Vontz durch den unterirdischen Gang, der das Paul-Löbe-Haus und das Reichstagsgebäude verbinden, mit dem Aufzug geht es hoch auf die Fraktionsebene. Dort herrscht ziemliches Gewusel. Es ist „Red-Hand-Day“, Bundestagsabgeordnete aller Parteien tauchen ihre Hand in rote Farbe und protestieren damit gegen den Einsatz von Kindersoldat*innen. Wenige Meter weiter gibt gerade Oppositionsführer Friedrich Merz ein Pressestatement. Kein Durchkommen. Also versucht Vontz sich über die andere Seite den Weg zum Fraktionssaal der SPD zu bahnen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas kommt ihr entgegen. 

Während ihrer ersten Plenarsitzung hat Bas sie offiziell begrüßt. Ein aufregender Moment, denn der Saal war voll besetzt. Dabei wäre Vontz fast am Eingang gescheitert. „Als ich in den Plenarsaal wollte, wurde mir gesagt, der Zutritt sei nur für Abgeordnete erlaubt. Das ist mit gleich zweimal passiert. An der Pforte hat eine Frau sogar einmal alle Stellen im Haus angerufen, um zu verifizieren, ob ich wirklich Abgeordnete bin. Sie war danach auf jeden Fall auf der sicheren Seite“, erzählt sie. Dabei sind junge Abgeordnete im Bundestag inzwischen keine Seltenheit mehr. Vontz ist das 51. Mitglied der 49ers, dem Zusammenschluss der SPD-Abgeordneten im Juso-Alter, die ihren Namen trotz der neuen Unterstützung beibehalten haben.

Wenn Bernhard Daldrup zum Saarländer wird

Noch schnell ein Video vor der Medienwand, dann muss die Saarländerin zur Fraktionssitzung. Auch ihre Kolleg*innen trudeln gerade ein. Innerhalb der Fraktion erhalte sie große Unterstützung, auch wenn ihr während der ersten Sitzung ein kleiner Fauxpas passiert ist: Bernhard Daldrup, den Sprecher der SPD-Fraktion für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, machte sie versehentlich zum Saarländer. „Er fand’s aber lustig. Seitdem ist das der running gag. Vielleicht lade ich ihn mal ins Saarland ein“, sagt Vontz.

Ins Saarland fährt sie am Samstag wieder. Termine im Wahlkreis stehen an. Mehr als sieben Stunden dauert die Fahrt. „Ich bin ein bisschen enttäuscht vom Bordbistro. Immer wenn ich hingegangen bin, war alles weg“, sagt sie und lacht. Dafür hat sie in Berlin schon eine Bleibe gefunden. Am Montag ist sie in ihre WG in Neukölln eingezogen. Viel Zeit bleibt Vontz nicht, um sich einzurichten. Die Tage in Berlin sind voll. Während sie an der Fraktionssitzung teilnimmt, ist eine Mitbewohnerin gerade bei Ikea und fragt, ob sie noch etwas mitbringen soll. Ein paar Kleinigkeiten wären nett, falls sie noch ins Auto passten, teilt Emily Vontz ihr mit.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare