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Eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit

von Susanne Dohrn · 1. April 2009
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Umfrage: Ist eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit sinnvoll?

vorwärts.de: Warum ist unser System der Arbeitslosenversicherung nicht mehr zeitgemäß?

Günther Schmid: Es sichert zwar bei Arbeitslosigkeit zeitlich begrenzt gegen den Totalausfall des Einkommens ab. Das reicht aber nicht. Beschäftigungsverhältnisse werden flexibler. Tätigkeiten werden zu Sackgassen. Menschen wollen oder müssen sich beruflich verändern. Solche Entwicklungen muss die Arbeitslosenversicherung berücksichtigen. Sie sollte Arbeitslosigkeit schon vor ihrer Entstehung verhindern.

Gibt es Vorbilder?

In Dänemark wie auch in Schweden gibt es ein breites Angebot staatlich geförderter Weiterbildung für Arbeitslose, aber auch für Beschäftigte. Der Verdienstausfall wird, vor allem für kleine und mittlere Verdiener, weitgehend kompensiert. Außerdem haben Arbeitnehmer in Dänemark nach vier Jahren Betriebszugehörigkeit das Recht, fünf Monate vor der Kündigung vorgewarnt zu werden. Die Betriebe sind verpflichtet, die Gekündigten in dieser Zeit beim Übergang in eine neue Berufstätigkeit zu unterstützen. Die Belgier haben für alle, die 45 Jahre und älter sind, das Recht eingeführt, ihre Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit von einem externen Berater einschätzen zu lassen. In den Niederlanden gibt es zahlreiche tarifliche Weiterbildungsfonds, und derzeit wird dort ein individuelles "Arbeitsbudget" diskutiert, das Arbeitnehmer auch für Weiterbildung in Anspruch nehmen können.

Was schlagen Sie für Deutschland vor?


Die Einrichtung eines persönlichen Entwicklungskontos im Rahmen der bestehenden Arbeitslosenversicherung. Es soll die Beschäftigten in die Lage versetzen, den Unternehmensführungen selbstbewusst gegenüber zu treten und Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit auszuhandeln.

Wie soll das finanziert werden?

Dazu könnte ein Teil des bisherigen Beitrags zur Arbeitslosenversicherung - z.B. ein Prozentpunkt des Bruttolohnes anteilig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert - als persönliches Entwicklungskonto angelegt werden. Diese beitragsfinanzierten Konten sollten aus allgemeinen Steuermitteln ergänzt werden, so dass alle Beschäftigten unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit auf den gleichen Kontenstand kommen. Auch Tarifverträge können die Konten aufstocken.

Reicht das?


Die Arbeitnehmer brauchen unabhängige Beratung von professionellen Unternehmen, die zugelassen und zertifiziert sind. Die Weiterbildungskonten sollten mit Zeitkonten verbunden werden, auf denen die Arbeitnehmer Überstunden sammeln können. Diese müssen, wie die persönlichen Entwicklungskonten, von Betrieb zu Betrieb übertragbar sein. Damit sie nicht verfallen, sollte der Staat dafür eine Ausfallbürgschaft übernehmen.

Soll es Wartezeiten geben, bis jemand das Konto nutzen kann?


Wichtig ist, dass die Beschäftigten Ansprüche geltend machen können, wenn es arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist, also nach einer Mindestbeschäftigungszeit und ohne lange Wartezeiten. Außerdem werden die Betriebe ein Interesse haben, das Konto zu nutzen, da schließlich auch die Arbeitgeber einzahlen.

Wer soll davon profitieren?

Wünschenswert wäre es, dass alle Erwerbstätigen einzahlen - auch Beamte, Selbstständige und geringfügig Beschäftigte. Ein solches Konto hätte auch den Anreiz, von Schwarzarbeit in den formellen Erwerbssektor zu wechseln.

Interview Susanne Dohrn

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Susanne Dohrn

ist freie Autorin und ehemalige Chefredakteurin des vorwärts.

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