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Ein Jahr nach Kriegsbeginn: Wie SPD-Mitglieder Ukrainer*innen helfen

Mehr als eine Million Menschen sind seit Kriegsbeginn aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Auch viele SPD-Mitglieder haben ihnen geholfen, hierzulande anzukommen. Ein Jahr später berichten sie, wie sich diese Hilfe entwickelt hat.
von Jonas Jordan · 24. Februar 2023
Starkes Zeichen: Ukrainer*innen bedanken sich am 18.02.2022 in München für die umfassende Hilfe Deutschlands.
Starkes Zeichen: Ukrainer*innen bedanken sich am 18.02.2022 in München für die umfassende Hilfe Deutschlands.

Rainer Grohmann aus Kerpen bei Köln unterhält seit 30 Jahren Kontakte in die Ukraine. Damals arbeitete er als Bauleiter auf einer Baustelle in Dniprodserschynsk, etwa 400 Kilometer südlich von Kiew. „Swetlana war damals eine unserer Dolmetscherinnen auf der Baustelle. Die Verbindung hat über die Jahre gehalten“, berichtet er im Frühjahr 2022 im Gespräch mit dem „vorwärts“. Als sie nach Kriegsbeginn vor einem Jahr gemeinsam mit ihrer Tochter aus dem Land flieht, kontaktiert Grohmann sie.

Im Juni zurück in die Ukraine

Über Moldawien, Rumänien, Ungarn und Österreich gelangen die beiden schließlich mit dem Zug nach Kerpen, wo sie mit dem Sozialdemokraten Grohmann zeitweise eine WG bilden. „Es gab keine Schwierigkeiten. Wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren und haben uns gut ergänzt“, erzählt er. Doch im Juni vergangenen Jahres kehren die beiden Ukrainerinnen bereits in ihr Heimatland zurück, weil es zu diesem Zeitpunkt ruhig gewesen sei, sagt Grohmann. Den Kontakt hält er weiterhin: „Das erste, was ich morgens mache, ist, Nachrichten zu hören, was es Neues aus der Ukraine gibt.“ Die beiden litten sehr unter den russischen Angriffen. Auch deshalb sagt er: „Sie wissen, dass sie jederzeit hier wieder aufschlagen können.“

Viele der Geflüchteten aus der Ukraine kamen mit dem Zug nach Deutschland, über Polen war häufig Berlin die erste Station. Einer der vielen ehrenamtlichen Helfer*innen am Hauptbahnhof der Hauptstadt war damals Christian Hörbelt. Der Sozialdemokrat aus dem Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hat selbst zwei Jahre lang in der Ukraine gelebt und für die Friedrich-Ebert-Stiftung gearbeitet. Seine Frau ist Ukrainerin. Nach dem russischen Überfall auf das Nachbarland habe er ein „Ohnmachtsgefühl“ empfunden und den Wunsch verspürt zu helfen. „Ich bin dann einfach zum Hauptbahnhof gefahren, habe mir eine Weste angezogen und nach einer Einweisung mitangepackt“, erzählt er damals.

Wohnung in Halle vermittelt

Auch Verwandte seiner Frau flohen Anfang des Jahres 2022 aus dem umkämpften Kiew und kamen zunächst privat bei ihnen in Berlin unter. Über persönliche Kontakte vermittelte er ihnen schließlich eine Wohnung in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt. „Es ist natürlich schade, dass sie nicht in Berlin bleiben konnten, aber dort war die Wohnungslage damals noch nicht so angespannt“, sagt Hörbelt. Anfangs habe es noch ein paar Schwierigkeiten mit dem Jobcenter und dem Sozialamt gegeben. Doch das seien lösbare Probleme gewesen. „Das Mädchen geht jetzt zur Schule. Die Mutter beginnt bald ihren deutschsprachigen Kurs. Es ist natürlich immer noch eine belastende Situation für die Familie, aber sie kommen jetzt gut zurecht“, sagt Hörbelt.

Bei Fragen, beispielsweise wenn es um Arzttermine oder den Abschluss eines Internetvertrages geht, unterstützen er und seine Frau die Familie weiterhin. Sie stehen in regelmäßigem Austausch und besuchen sich gegenseitig, wie er berichtet. In Berlin beriet er zudem bis zum Sommer des vergangenen Jahres einmal pro Woche Geflüchtete aus der Ukraine, half ihnen dabei, Anträge beim Jobcenter auszufüllen, mit den Krankenkassen zu kommunizieren oder Dokumente vom Russischen oder Ukrainischen ins Deutsche zu übersetzen.

Bewegende Erlebnisse bei der medizinischen Erstversorgung

Die Sprache war für Wjahat Waraich keine Barriere. Der Arzt aus Hannover war im vergangenen Frühjahr insgesamt dreimal in Medyka an der polnisch-ukrainischen Grenze, um dort Geflüchtete medizinisch erstzuversorgen. Zuletzt war er Ende Mai dort. Besonders eingebrannt haben sich ihm die zwischenmenschlichen Begegnungen, die er dort erlebte: 50 Waisenkinder aus der Ostukraine, eine 80-jährige Frau mit gebrochener Hüfte, deren Operation wegen des Kriegsbeginns nicht möglich war und die in einem lebensbedrohlichen Zustand an der Grenze ankam. „Es war schon erschreckend für mich, in die Gesichter zu schauen und zu sehen, welches Leid und welche Schrecken sie erlebt haben“, sagte Waraich im Frühjahr 2022 im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Inzwischen hat er mit den Geflüchteten aus der Ukraine vor allem auf kommunaler Ebene zu tun. Seit der Kommunalwahl im Herbst 2021 ist er für die SPD Bezirksbürgermeister in Bothfeld-Varenheide, dem flächenmäßig größten Stadtbezirk in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Hier leben 50.000 Menschen, zu denen seit dem vergangenen Jahr noch einige mehr hinzugekommen sind. Ihre Unterbringung werde aufgrund des knappen Wohnungsangebots immer schwieriger. Auch sagt er: „Die Grundschulen platzen aus allen Nähten. Wir haben jetzt schon riesig große Klassen.“ 

Auf kommunaler Ebene aus 2015 gelernt

Dennoch zeigt sich der Sozialdemokrat erfreut, dass aktuell vieles besser laufe als noch in den Jahren 2015/16. „Wir haben damals gelernt, was notwendig ist, wenn in kürzester Zeit viele Menschen kommen“, sagt er und nennt beispielhaft Polizei, Sicherheitsbehörden, aber auch Ausländerbehörden, Migrationsstellen oder auch Flüchtlingskreise auf kommunaler Ebene. „Ich musste bei mir in den Stadtteilen kaum Flüchtlingskreise aktivieren. Sie standen schon parat, um die Menschen zu empfangen und ihnen zu helfen“, sagt Waraich. Er selbst wird in acht Tagen mal wieder in eine andere Region fliegen, um dort vor Ort medizinisch zu helfen, diesmal nach Hatay im Süden der Türkei, der vom Erdbeben stark betroffenen Region.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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