Ein Jahr nach der Flut: SPD Euskirchen kämpft für Normalität
Uta Wagner
Genau ein Jahr ist es her, dass in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli der kleine Veybach, der sich ansonsten kaum sichtbar durch die Kreisstadt Euskirchen am Rande der Eifel schlängelt, zum reißenden Strom wurde. Eine eineinhalb bis zwei Meter hohe Flutwelle zerstörte die gesamte Innenstadt, Buchhandlungen, Restaurants, Modeboutiquen und auch das Parteihaus der SPD. Ein Jahr später „gibt sich die Politprominenz in Euskirchen die Klinke in die Hand“, wie es die SPD-Vorsitzende Gianna Voißel formuliert. Bei der zentralen Gedenkveranstaltung des Landes Nordrhein-Westfalen spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, auf der des Kreises ist Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zugegen, die Stadtgesellschaft trifft sich am Abend hinter dem City Forum.
Die Flutkatastrophe ist am Jahrestag wieder sehr präsent. Auch wenn langsam wieder so etwas wie Normalität in der knapp 60.000 Einwohner*innen zählenden Stadt nahe Köln eingekehrt ist. „Wir sind um jedes Geschäft froh, das wieder öffnet. Die Schäden sieht man noch deutlich, aber es tut sich schon viel. Drei Viertel sind wieder aufgebaut“, sagt Voißels Co-Vorsitzende Sandra Höllmann im Gespräch mit dem „vorwärts“. „Wenn du durch die Innenstadt gehst, fällt dir eher das Positive auf. Das, was wieder da ist. Schön ist, dass wieder viel Gastronomie da ist und wieder mehr Leute nach Euskirchen kommen“, ergänzt Voißel. Auch die Bahnverbindungen nach Köln und Bonn sind wieder möglich, Richtung Eifel zumindest teilweise.
Das „rote Haus“ bleibt eine Baustelle
Wenig getan hat sich dagegen im Parteihaus der Euskirchener SPD. Das „rote Haus“ diente bis zum vergangenen Sommer dem SPD-Ortsverein, dem Kreisverband sowie der Fraktion in der Stadt als Basis für ihre politische Arbeit. „Wir hatten ursprünglich gehofft, dass wir vielleicht sogar ein Sommerfest im Haus veranstalten können, aber das können wir auf jeden Fall knicken. Es ist noch nichts im Wiederaufbau. Dabei bräuchten wir das Haus ganz dringend“, sagt Höllmann. Voißel berichtet von einem Treffen mit einem Gutachter und der beauftragten Firma am Dienstag dieser Woche: „Nach dem Gespräch habe ich die Hoffnung, dass es jetzt schneller vorwärts geht, aber man hätte natürlich auch schon weiter sein können.“
Das Erdgeschoss wurde getrocknet, der Putz abgehauen, die Feuchtigkeit wurde gemessen, ansonsten ist das Haus bislang Rohbau. Für seine politische Arbeit muss der Ortsverein daher auf andere Räumlichkeiten ausweichen, was gewisse Schwierigkeiten mit sich bringt, wie zum Beispiel bei einem politischen Frühstück im vergangenen Monat. „Die Gesprächskulisse war so laut, dass wir gar nicht groß diskutieren konnten“, sagt Voißel.
Großes Thema: Steinbachtalsperre wieder aufbauen
Für Höllmann ist das kaputte Parteihaus ganz klar ein „Hemmschuh“ für die Ortsvereinsarbeit: „Wir haben jetzt seit April einen neuen Vorstand, sind mit Tatendrang dabei und möchten die Parteiarbeit nach Corona und der Flut wieder aufleben lassen. Das tun wir auch, aber wir müssen immer gucken, dass wir uns Räume außerhalb holen. Das ist immer ein bisschen schwierig mit der Organisation.“ Mit diesen Problemen haben auch andere Parteien in der Stadt zu kämpfen. Die Grünen hatten ihr Büro in der selben Straße. Das Haus wurde inzwischen komplett abgerissen. Die Partei sucht immer noch nach einer neuen Bleibe.
Der Wiederaufbau sei auch deswegen teilweise schwierig, weil es noch keine neuen Hochwasserkarten gibt und damit unklar ist, auf welcher Grundlage Baugenehmigungen erteilt werden können, berichten Höllmann und Voißel, die beide auch für die SPD im Stadtrat von Euskirchen sitzen. Der Umgang mit der Flutkatastrophe sei weiterhin das beherrschende Thema in allen kommunalen Gremien, insbesondere der Wiederaufbau der Steinbachtalsperre. Diese war im vergangenen Jahr stark in Mitleidenschaft gezogen worden, drohte tagelang zu brechen. Inzwischen ist die Talsperre, die als Naherholungsgebiet für die Region dient und normalerweise das einzige Euskirchener Schwimmbad beherbergt, trocken gelegt.
Vertrauen und psychologische Angebote schaffen
Dabei ist der politische Wunsch nach Wiederaufbau einhellig formuliert. Voißel fordert auch daher, Planungsprozesse zu beschleunigen. Auch sollte der Hochwasserschutz in allen Kommunen der Region künftig eine stärkere Rolle spielen, beispielsweise durch entsprechende Expert*innen in den Verwaltungen. „Als Politik sollten wir so auftreten, dass wir den Menschen das Gefühl vermitteln, aus der Katastrophe gelernt zu haben. Wir müssen guten Hochwasserschutz machen, damit sich die Leute wieder sicher fühlen“, fordert Voißel.
Wichtig ist ihr außerdem, die Traumata vieler Menschen entsprechend zu berücksichtigen und ausreichende Angebote zur psychologischen Betreuung zu schaffen. Denn sie weiß zu berichten: „Ich habe mit einigen gesprochen, die gesagt haben, sie können an keiner Gedenkfeier teilnehmen, weil ihnen das zu nahe geht.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo